Schule - ganz anders! 7 Stunden Unterricht, 10 Minuten Pause

Gymnasium Altenholz 17. November 2017
Walid (Zweiter von links im Bild) ging vor zweieinhalb Jahren noch in Afghanistan zur Schule.©

Schule - ganz anders! 7 Stunden Unterricht, 10 Minuten Pause

Von Mark Böttcher, Walid Mobarez Pur, Felix Voß

Walid Mobarez Pur, 15 Jahre alt, ist ein Schüler aus unserer Klasse, der vor zwei Jahren aus Kabul kam. Er hat bis zu seinem 14 Lebensjahr in
Afghanistan gelebt. Er erzählt uns in diesem Interview, wie das Schulsystem in Afghanistan ist und was die Unterschiede zu unseren
Schulen sind.

Misch: Wie ist das Schulsystem in Afghanistan aufgebaut?

Walid: Mit 7 Jahren kam ich in Afghanistan in die 1. Klasse. Man geht bis zur 12. Klasse in eine Schule. Bis zur 7. Klasse hatte ich nur einen
Lehrer für alle Schulfächer. Mit der 8. Klasse begann ich mit der Mittelstufe. Ich habe dann mehr Fächer bekommen und aufgrund dessen
auch mehr Lehrer, die auf ihr Themengebiet spezialisiert waren. Mit der 12. Klasse hätte ich die Schule abgeschlossen, wenn ich geblieben wäre.

Gibt es dort auch verschiedene Schulen, so wie in Deutschland?

Nein. Die Schulen in Afghanistan sind nicht mit den Schulen in Deutschland zu vergleichen. In Afghanistan gibt es eigentlich nur eine Schulform,
aber es gibt getrennte Schulen für Mädchen und Jungen. In anderen Provinzen auf dem Land gibt es auch religiöse Schulen. Es gibt wie hier auch private Schulen. Auf so eine bin ich ab der 4. Klasse gegangen.

Welche Umstände herrschen auf deiner Schule?

In staatlichen Schulen sind die Umstände sehr schlimm. Ich selbst war in einer privaten Schule. In privaten Schulen sind die Umstände
besser als in staatlichen Schulen. Aber ich weiß auch aus eigener Erfahrung, wie die Umstände in den in den staatlichen Schulen waren.
Ich ging bis zur 3. Klasse in einer staatlichen Schule. Die meisten staatlichen Schulen im Land sind schlecht ausgestattet. Das heißt es fehlt an Räumen, Tischen, Büchern und anderen wichtigen Dingen. Oft waren auch die Schulgebäude in einem schlechten Zustand. Im Winter z.B. gab es keine Heizung oder im Sommer herrschten auch öfters unerträglich warme Temperaturen. Trotz der Hitze hatten wir kein hitzefrei oder wir mussten bei der Kälte im Schulgebäude sitzen. 

Muss man Gebühren für die Schulen bezahlen?

Nein. Also in den staatlichen Schulen musste ich keine Gebühren für die Schule bezahlen. Das heißt aber nicht, dass alle Kinder zur Schule
gehen konnten oder durften. Viele Kinder durften trotzdem nicht zur Schule gehen. In Afghanistan gibt es keine Schulpflicht. Das heißt,
dass in den meisten Fällen die Eltern entschieden haben, ob ihr Kind zur Schule gehen darf oder nicht. Außerdem musste jeder eine
Schuluniform tragen und sie auch selber bezahlen. Für die private Schulen mussten meine Eltern Beiträge zahlen.

Mit was für Problemen haben die Schüler in Afghanistan zu kämpfen?

Die Schüler in Afghanistan haben deutlich mehr Probleme als hier. Für viele Kinder, die in den ländlichen Regionen wohnen, ist der
Schulweg zu weit, die Straßen schlecht oder es gibt keine öffentlichen Verkehrsmittel. So bleibt es ihnen oft nur noch übrig zu Fuß zu gehen, was oft Stunden in Anspruch nehmen würde. In den Städten hingegen sind die Schulen leicht zu erreichen und es gibt auch Schulbusse für private Schulen. In den meisten Schulen fehlt es an Lehrern. Die Konsequenz ist, dass gar nicht so selten 40-50 Schüler in einer Klasse sind. Ein weiteres grundlegendes Problem ist, dass es vielen Kindern verboten ist zur Schule zu gehen, weil manche nebenbei arbeiten müssen, um Geld zu verdienen. Für die meisten Familien in Afghanistan, sind private Schulen auch keine Alternative, weil die Beiträge für eine durchschnittliche Familie zu teuer sind.

Wie läuft denn der Unterricht in den Schulen ab? Ist er so ähnlich wie hier?

Der Unterricht lief ganz anders ab als hier in Deutschland. Man hat keine Gruppenarbeiten oder Präsentationen gemacht und es gab kaum mündliche Beteiligung am Unterricht. Der Unterricht war fast immer sehr einseitig. Der Lehrer hat uns oft was erklärt und wir sollten es aufschreiben oder versuchen es zu verstehen. Es war etwas wie ein diktatorischer Führungsstil. Wenn ich Mist gebaut habe oder beispielsweise die Hausaufgaben nicht gemacht hatte, dann gab es harte Strafen oder ich wurde auch manchmal geschlagen. Am Ende jedes Halbjahres wurden auf zwei bis drei Wochen verteilt die Klassenarbeiten für alle Fächer geschrieben. Dies war natürlich sehr schwer und auch stressig. Es sind deswegen auch viele Schüler durchgefallen. Mir und auch vielen anderen fiel es sehr schwer, den Unterrichtsstoff von allen Fächer zu merken. Die Fächer waren nicht viel anders als hier. Die einzigen Ausnahmen waren, dass wir kein Musik hatten und 4 Sprachen lernen mussten. Die zwei
Nationalsprachen Dari und Pashto, und auch noch Englisch und Arabisch als Fremdsprache

Wie sind denn bei euch die Schulzeiten?

Um 7 Uhr mussten wir pünktlich in der Schule ankommen. Jeden Morgen haben wir uns mit der ganzen Schule auf dem Schulhof versammelt. um die Nationalhymne zu singen und zu beten. Ich hatte sieben Schulstunden zu je 45 Minuten. Einmal am Tag hatte ich für 10 Minuten Pause. Wir hatten in einem Schuljahr zweimal Ferien. Einmal im Sommer für 20 Tage und einmal im Winter für drei Monate.

Wie sieht denn die Situation für Mädchen bei euch aus? Sind sie irgendwie benachteiligt?

Ich denke schon, dass die Mädchen benachteiligt sind. Sie haben weniger Rechte und dürfen viele Dinge nicht machen, die Männer bzw. Jungen
durften. In Afghanistan gehen 35% aller Kinder nicht zur Schule. Davon sind 85% Mädchen*. Einige Familien verbieten es den Mädchen
auch zur Schule zu gehen, aus finanziellen oder auch aus religiösen Gründen. Das heißt, dass einige Kinder nicht zur Schule durften, weil sie den Eltern helfen mussten. Als die Taliban noch ganz Afghanistan kontrolliert haben, konnten die Mädchen gar nicht zur Schule gehen. Wenn sie alleine das Haus verlassen hätten, wären sie von den Taliban erschossen worden. Manche Mädchen, die vorher zur Schule gegangen sind, mussten mit 14 oder 15 Jahren aufhören und wurden dann verheiratet.

 

*Quelle: https://www.hrw.org/news/2017/10/17/afghanistan-girls-struggle-education.

 
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