Die Abspaltung Kataloniens
Ein Interview mit einer Betroffenen
Ole Meckenstock, Juan Spörck Munoz, Luca Völmicke
In Katalonien herrscht derzeit eine sehr unruhige Lage. Die Katalanen fordern mit dem geflohenen Präsidenten Puigdemont an der Spitze ihre Unabhängigkeit, weil sie als sehr wirtschaftsstarke Region viel Geld an die spanische Regierung abgeben müssen und sich deshalb von Spanien ausgenutzt fühlen. Allerdings erklärte die spanische Regierung aus Madrid das von den Katalanen durchgeführte Unabhängigkeitsvotum für ungültig, da die Katalanen damit gegen Artikel 2 der spanischen Verfassung verstießen, welcher besagt, dass Spanien unteilbar ist. Auch weil deshalb das Votum illegal war, nahmen nur 40% der Katalanen daran teil. Von diesen 40% waren allerdings 90% für eine Abspaltung. Deshalb interessierte uns die Meinung eines Katalanen, also haben wir einen Termin mit Frau Arantzazu Lara (39) vereinbart, die aus Katalonien stammt und hier in Deutschland im Verein für spanische Sprache und Kultur arbeitet, und haben ihr einige Fragen gestellt. Dies ist das Anfang November geführte Interview.
Wie sehen Sie die Entwicklungen der letzten Monate in Katalonien?
Katastrophal! Ich komme zwar aus der Nähe von Barcelona und bin auf einer katalanischen Schule gewesen und habe alle meine Fächer auf katalanisch gelernt, aber bin gegen eine Abspaltung von Katalonien. Auch weil meine Eltern aus Spanien kommen und ich Familie in Madrid und Barcelona habe. Ich bin also halb Katalanin und mag genauso den Rest Spaniens. Ich kann nicht „Nein" zu Spanien sagen. Spanien ist ein Teil von mir. In den letzten Monaten verfolge ich den ganzen Tag nur besorgt Nachrichten. Die sind dort alle ein bisschen wahnsinnig geworden.
Fühlen sie sich eher als Spanierin oder als Katalanin?
In den letzten Jahren ist es schon ein bisschen zum Problem geworden, zu sagen, dass ich Spanierin bin. Dann bist du direkt so wie Franco, der letzte Diktator Spaniens. In letzter Zeit sage ich also immer ich komme von der iberischen Halbinsel und fertig. Ich würde aber eher sage Spanierin.
Wie ist das Verhältnis zwischen Spaniern und Katalanen aus ihrer Sicht?
Manchmal, wenn La Roja, die spanische Fußballnationalmannschaft, spielt und ich in Katalonien war und auf Facebook sagen wollte „Jaaa wir haben gewonnen und so" hatte ich ein bisschen Angst, weil ich wusste, dass viele Freunde dann sagen würden „Bah, Spanien!" und das nicht so gut gefunden hätten.
Welche Unterschiede gibt es in der Kultur zwischen Spanien und Katalonien?
Es gibt viele Unterschiede. Man kann Katalonien in dieser Hinsicht nicht richtig mit Spanien vergleichen. Viele Regionen in Spanien habe eine eigene Kultur. Trotzdem ist Katalonien eine der einzigen Regionen Spaniens, wo sie in der Schule nur in ihrer eigenen Sprache, nämlich Katalanisch, unterrichten.
Warum gibt es die Bestrebungen der Unabhängigkeit Kataloniens Ihrer Meinung nach?
Das ist eine gute Frage. Ich weiß nicht genau. Viele sagen, das ist wegen des Geldes. In Katalonien gibt es einen Satz, den man sagt. Spanien beklaut uns. Espania norrova. Aber ich weiß nicht besonders viel über die Wirtschaft. Spanien bekommt viel Geld von der katalanischen Wirtschaft. Das ist mit Bayern hier in Deutschland allerdings genau so. Aber das ist doch kein Grund zur Abspaltung.
Wie stehen Sie zur Handlungsweise der spanischen Regierung?
Es war ziemlich scheiße, finde ich. Ich denke, Rajoy hätte die Polizei nicht benutzen dürfen. Die Katalanen haben auch viele etwas unschöne Bilder benutzt. Es gab etwa 900 Verletzte, aber nur vier davon sind eine Nacht im Krankenhaus geblieben.
Welches Handeln finden Sie besser, dass von der katalanischen Regierung oder dass der spanischen Regierung?
Vielleicht ist es nicht so schlimm, was Rajoy gemacht hat, es gibt ja im Dezember Neuwahlen. Ich finde es auch gut, dass die Katalanen frei wählen dürfen. Aber ich mag Rajoy und Puigdemont sowieso nicht.
Haben Sie in Ihrer Verwandtschaft Leute, die für die Abspaltung sind? Falls ja, haben Sie sich darüber gestritten?
Mein Vater hat acht Geschwister und sie sind alle zusammen, als sie klein waren, nach Barcelona gezogen. Und in der Familie meines Vaters sind wir 26 Cousins und Cousinen und manche davon wohnen in Katalonien und manche in Spanien. Manche von ihnen sind für die Abspaltung und das finde ich richtig scheiße. Ich verstehe das nicht. Ihre Eltern kommen beispielsweise aus Andalusien und sie wollen sich einfach davon trennen. Das ergibt keinen Sinn.
Wir fanden dieses Interview sehr interessant und beängstigend zugleich, da man sehen konnte, dass es zum Teil Katalanen gibt, die sich nicht trauen ihre freie Meinung kundzutun, auch weil sie sehr unter Druck gesetzt werden von ihren Landsleuten.