„Ich weiß überhaupt gar nicht mehr, wann ich eigentlich Englisch gelernt habe", sagt
Max Bauer verwundert und ergänzt, „das kam irgendwie ganz
nebenbei." Der 9-Jährige geht in die vierte Klasse der
Claus-Rixen-Schule in Altenholz. Er ist es von der ersten Klasse an
gewohnt, dass die Lehrer fast ausschließlich auf Englisch reden –
außer im Fach Deutsch natürlich.
Dass Max so einfach und unbekümmert in der Grundschule eine zweite Sprache erlernen kann,
ist immer noch eine große Ausnahme. Denn die Grundschule im Norden
Kiels ist eine der wenigen, die immersiv unterrichten. Nicht mal 1,9
Prozent aller deutschen Grundschulen bieten diesen Unterricht an. In
Schleswig-Holstein liegt die Quote auf Grund der dänischen Schulen
bei knapp elf Prozent.
Aber Immersion, was ist das eigentlich?
Nur die wenigsten haben auf diese Frage eine Antwort parat.
„Und genau das ist das Problem", sagt Dr. Annette Lommel,
Vorsitzende und Mitgründerin des Vereins für frühe
Mehrsprachigkeit. „Die Methode ist nicht weit genug verbreitet",
und schon ist Dr. Lommel ganz in ihrem Element. Mit großer
Leidenschaft erzählt sie, was Immersion sei und von der Arbeit ihres
Vereins, der sich für bilingualen Unterricht an Kindergärten und
Grundschulen einsetzt. Immersion ist eine Methode, den Kindern schon
im Kindergarten und in der Grundschule das Englischsprechen allein
durchs Hören und Sprechen und ohne Vokabellernen beizubringen.
Ebenso, wie eine Muttersprache. „In diesem Alter sind die Kinder
noch uneingenommen und merken gar nicht, wann sie deutsch und wann
sie englisch sprechen", sagte die im Hamburger Gesundheitsdienst
Tätige. Ebenso, wie der neunjährige Max das beschrieben hat. Auch
er hatte das Glück, bereits im Kindergarten eine englischsprachige
Erzieherin zu haben. „Aber warum sollen die Kinder überhaupt schon
so früh eine Fremdsprache lernen, sollen sie nicht erst mal ein
Sprache richtig beherrschen, bevor sie eine zweite lernen,
überfordert man Kinder nicht damit?", fragen Kritiker. „Warum?
Weil der Mensch das kann", antwortet Dr. Lommel. Warum solle man
darauf verzichten und warten, bis man das später auf schwierige Art
und Weise organisieren müsse. Die Forschung habe gezeigt, dass das
Gehirn im Kindergarten- und Grundschulalter perfekt auf das Erlernen
von Sprachen eingestellt ist. Und die Grammatik, bleibt die dabei
nicht auf der Strecke? „Nein", antwortet Dr. Lommel klar. „Wenn
ein Kleinkind Deutsch als Muttersprache lernt, dann lernt es ja auch
keine Grammatikregeln und dennoch ist es ja nicht so, dass das Kind
eine grammatikfreie Sprache spricht", veranschaulicht sie.
Doch wie kann es sein, dass sich das System bei so
vielen Vorteilen nicht weiter durchsetzt? „Zum einen ist es
schwierig, Lehrer zu finden, die sehr gut, bestenfalls als
Muttersprachler, englisch sprechen und zudem die Methode des
Sprachbades, also der Immersion, verstanden haben und bereit dazu
sind, den Unterricht entsprechend anschaulich zu gestalten", sagt
Dr. Lommel. Denn solange die Kinder die Sprache noch nicht verstehen,
müssen die Lehrer sehr viel mit Gestik und Mimik arbeiten. Dieser
Ausdruck ist wichtiger Bestandteil des Unterrichts. Auch müssen
Lehrer sehr sensibel darauf achten, ob alle Schüler verstehen, was
gerade erklärt wird. Ein weiteres Hindernis seien zusätzliche
Kosten, die für die Anschaffung von speziellem Unterrichtsmaterial
aufkommen. Und Dr. Lommel kennt noch einen weiteren Grund: „Es wird
den Schulen häufig auch von außen schwer gemacht. Etwa durch wenig
aufgeschlossene Schulräte, die sagen, dass so etwas bei ihnen nicht
vorkommt." Nur wenn die Schulleitung und das gesamte Kollegium
hinter dem Konzept stehen, kann es am Ende funktionieren, sagt Dr.
Lommel abschließend. So wie an der Altenholzer Claus-Rixen-Schule.
Hier haben in den vergangenen 18 Jahren bereits ca. 360 Schüler
Englisch gelernt. Und wahrscheinlich der größte Teil so wie Max -
ganz nebenbei und ohne es zu bemerken!