"Im Westen sind wir sicher" - Die Fluchtgeschichte eines vierjährigen Jungen

Klasse 9a (Gymnasium Altenholz) 19. November 2018

Es ist ein kalter Februar, im Jahre 1945.

In dem kleinen Dorf Malmitz in Ostpreußen lebt der vierjährige Ulrich mit seiner Mutter Gertrud, seiner Schwester Ursel und seinem Vater Rudolf. Doch so schön das Dorf auch wirkt, der Schein trügt. Wir befinden uns im 2. Weltkrieg und die Rote Armee kommt immer näher. Der Himmel ist blutrot von dem Kanonenfeuer der Russen und die Schüsse werden auch immer lauter. Schon einmal sind Ulrich und seine Mutter ihrem Feind begegnet. ,,Wir waren im Dorf spazieren, als urplötzlich ein Tiefflieger auf uns zuflog. Meine Mutter reagierte sofort. Sie schubste mich in einen trockenen Wassergraben und warf sich schnell mit ihrem ganzen Körper über mich. Wir hatten Glück, der Tiefflieger schoss nicht auf uns und wir kamen mit dem Schrecken davon". Schon bald darauf ordnet Scholtisek, der Vorsitzende des kleinen Dorfes an: ,, Alle Mann sofort packen und das Dorf verlassen! Der Russe steht vor der Tür". Schnell packt Ulrichs Mutter Gertrud, die wichtigsten Sachen zusammen und verstaut sie auf einem Leiterwagen. ,,Kurz vor der Flucht bin ich noch schnell ins Haus gerannt und habe unseren wertvollen Familienschmuck in einer Tüte verstaut und mitgenommen,- ich als kleiner Junge. Daran hätten meine Mutter und meine Schwester nicht gedacht", erzählt Ulrich heute stolz und führt die Kafeetasse erneut an den Mund. Doch nicht nur an den Familienschmuck denkt der kleine Ulrich, schnell packt er noch seinen kleinen Holzpanzer, den er von seinem Vater zum Geburtstag bekommen hat, vor die Haustür. ,, Der soll unser Haus vor den bösen Russen beschützen", erklärt der Kleine seiner Mutter. ,,So würde ich heutzutage nicht mehr reden, aber damals war der Russe unser Feind und wegen ihm mussten wir flüchten", fügt er seiner Erzählung hinzu. Nun muss die Familie aufbrechen, mit dem Wissen ihr Zuhause vielleicht nie wieder zu sehen. Sein Vater ist nicht dabei, er muss als Soldat an der Front kämpfen.

Es geht los, in kleinen Gruppen marschieren die drei, Ulrich seine Mutter und seine Schwester- in die fünf Kilometer entfernte Stadt Lüben. Dort lebt Ulrichs Tante mit ihren zwei Töchtern. Onkel Albert ist im Krieg gefallen.
Am nächsten morgen geht es weiter Richtung Westen. Die kleine Familie hat kein bestimmtes Ziel, sie wollen einfach nur weg von der Gefahr. Der kleine Ulrich und seine Familie haben Glück. Auf ihrem Weg werden sie plötzlich von einem Pferdewagen überholt, der anhält und sie netterweise samt Gepäck mitnimmt. Bis zum Bahnhof werden die drei mitgenommen, dann geht es mit dem Zug weiter. Zwischendurch landen sie in Dresden. Dort werden sie von einer netten Familie für zwei Tage aufgenommen. Die Familie bleibt aber nicht in Dresden. Der Bruder von Ulrichs Mutter wohnt in Bayern, dort wollen die drei bestmöglich hin. Ein paar Tage nach ihrer Abreise gibt es einen großen Bombenangriff auf die Stadt, bei dem über 20.000 Menschen sterben. Die drei haben großes Glück. Als die kleine Familie in Oberfranken ankommt, werden sie in einer Turnhalle in Lichtenfels untergebracht. Dort sind schon unheimlich viele andere Flüchtlinge. Die Stimmung ist friedlich. Alle sind erleichtert einen warmen Unterschlupf zu haben.

Nach ein paar Tagen Aufenthalt werden die drei einem Bauernhof in Oberfranken zugeteilt. Am Anfang werden Ulrich, seine Mutter und seine Schwester von den Bauern nicht freundlich aufgenommen, da diese plötzlich alles mit den Neuankömmlingen teilen müssen. So kam es öfter vor, denn keiner wollte das Wenige was sie hatten auch noch teilen müssen. Als seine Mutter jedoch auf dem Hof hart arbeitet, werden die Bauern offener und lassen die Familie auch an allen Mahlzeiten teilhaben. Allmählich leben sich Ulrich und seine Familie gut in ihrem neuen Zuhause ein. Sein Vater befindet sich in amerikanischer Gefangenschaft, kommt aber bald zurück. Insgesamt war Ulrich mit seiner Familie über 6 Wochen auf der Flucht und sie hatten viel Glück, denn es hätte viel schlimmer ausgehen können. Trotzdem hinterließ der Krieg seine Spuren an Ulrich. Dadurch dass er nach der Flucht auf eine Zwergschule gegangen ist, das ist eine Schule mit mehreren Jahrgängen pro Klassenraum, hinkte er später mit seinen schulischen Leistungen deutlich hinter anderen Kindern her. Als er und seine Familie nach dem Krieg in eine Stadt zogen, bekam er dies deutlich zu spüren. Nachdem Ulrich jedoch ein paar Jahre fleißig gelernt und nachgeholt hatte, schaffte er es- sogar zum Klassenbesten.
Die Flucht war vor allem schwer für die Frauen, die alleine, häufig mit mehreren Kindern flüchten, für die Kinder sorgen und sich organisieren mussten.
Dafür verdienen sie großen Respekt.

Das war die Fluchtgeschichte von Ulrich Kluge.
Solche Geschichten haben Millionen von Menschen durchlebt und viele tun dies immernoch. Auch hier in Schleswig Holstein gibt es viele Flüchtlinge, die ähnliche Geschichten erlebt haben. Seien wir offen und heißen sie willkommen!

Von Jonie Wanjohi, Gymnasium Altenholz, 9a

 
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