Antisemitismus?-Nein danke!

WPU Medienpraxis (Gymnasium Lütjenburg) 20. November 2019

von Mewes Dierolf

Nach dem Anschlag von Halle hat die Politik nicht lange auf sich warten lassen und viele verschiedene Lösungswege präsentiert, die dazu dienen sollen, solch schreckliche Gewalttaten in Zukunft zu vermeiden.
Zu diesen Lösungswegen gehört auch das am 14. Oktober 2019 von der CDU veröffentlichte Pro-gramm mit dem Titel "Rechtsextremismus und Antisemitismus entschlossen und kraftvoll bekämpfen - Unsere wehrhafte Demokratie verteidigen".
In diesem sechsseitigen Text ist vor allem die Rede von erweiterter Onlineüberwachung, zum Bei-spiel von Messenger-Diensten, Vorratsdatenspeicherungen und Ideen, wie man jüdisches Leben und Demokratie auf mehr Akzeptanz in Deutschland stoßen lassen kann. Gerade im Bereich von einfacherer Datenerfassung und Speicherung, von der Überwachung von Messenger-Diensten und von Online-Durchsuchungen, kommen natürlich schnell Bedenken bezüglich des Datenschutzes auf. Leider wird die CDU in diesen Punkten nicht konkret, sodass der Bürger nicht abschätzen kann, wie weit die Pläne gehen könnten.
Inwiefern wird in Zukunft die Privatsphäre auf Messenger-Diensten gewahrt?
Eine Pauschalüberwachung oder eine Überwachung bei Gebrauch von bestimmten "Signalwörtern" wäre genau wie eine Online-Durchsuchung ohne Durchsuchungsbefehl meiner Meinung nach im Sinne des Datenschutzes und vor allem der Achtung der Privatsphäre unzulässig.
Auch der Punkt "keine Waffen in den Händen von Extremisten: Wer nicht mit beiden Füßen auf unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht, darf keine legale Waffe in die Hände be-kommen", hört sich beim ersten Mal lesen noch sehr unterstützenswert an, dann kommt beim Leser erneut der Wunsch nach etwas Konkretisierung auf. Wie soll dieses "mit beiden Füßen auf der frei-heitlich-demokratischen Grundordnung stehen" denn definiert und kontrolliert werden? Die Über-gänge zwischen "mit zwei Füßen" und "mit nur einem halben Fuß" auf der freiheitlich -demokratischen Grundordnung stehen, sind doch sehr fließend und manchmal von außen nicht er-kennbar. Und wie sieht es aus mit Jemandem, der vor 20 Jahren seinen Waffenschein gemacht hat, damals noch absolut mit der Verfassung kompatible Meinungen und Ansichten vertreten hat und sich nach und nach radikalisiert? Fragen, die durch den Beschluss leider unbeantwortet bleiben.
Es fallen aber auch Punkte positiv auf. Beispielsweise können die bereits erwähnten Waffengeset-zesänderungen, richtig eingesetzt und vor allem deutlich konkreter formuliert, eine gute Entschei-dung sein. Auch der Satz "die Verbreitung von Bauanleitungen von Waffen muss strikt verboten werden", ist, solange es sich um in Deutschland ohne Waffenschein illegale Waffen handelt, unter-stützenswert.
Es fehlt leider ein Abschnitt mit der Überschrift "Ursachenforschung/ Rechtsextremismus in seinem Keim ersticken".
Wäre mit deutlich großzügigerer Finanzierung von Bildungseinrichtungen und sozialer Infrastruktur nicht insofern schon viel getan, als dass durch die dadurch entstehende größere Zufriedenheit in der Bevölkerung weniger Frust und Hass entsteht, der in Fremdenhass umgewandelt wird?
Würden nicht weniger Sündenböcke für soziale/gesellschaftliche/finanzielle Probleme gesucht wer-den, wenn diese Probleme schnell und effektiv von der Regierung gelöst werden würden?
Besonders auffällig sind laut der Leipziger Autoritarismus-Studie 2018 die Unterschiede zwischen den "neuen Bundesländern", die ja inzwischen zum Glück nicht mehr wirklich neu sind, und den Bundesländern die mal der BRD angehörten. So liegen die Zahlen der durch die Studie als auslän-derfeindlich eingestellten Bürger in der ehemaligen DDR ungefähr zehn Prozent höher als in den restlichen Teilen.
Der Aussage "Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland verboten werden" stimmen im Jahr 2018 laut der Studie 42% der "Westdeutschen" und 51% der "Ostdeutschen"Bevölkerung zu. Mal davon abgesehen ,dass das erschreckend hohe Zahlen sind, gegen die dringend etwas unter-nommen werden muss, fällt wieder auf, dass die Zahlen aus dem "Osten" wieder um einiges höher sind. Da bekanntermaßen die Infrastruktur in vielen Teilen Ostdeutschlands starke Mängel aufweist, ist das doch auch eine Bestätigung für die eben genannte These.
Ebenfalls in der Leipziger Autoritarismus-Studie enthalten, ist eine Statistik mit dem Namen "Rechtsextreme Einstellung je nach Bildungsgrad". Hier fällt auf, dass bei den genannten Katego-rien, wie zum Beispiel Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit und Verharmlosung des Nationalso-zialismus, die Prozentzahlen bei Leuten ohne Abitur meist mehr als doppelt so hoch ist, wie bei Menschen, die erfolgreich das Abitur abgeschlossen haben. Auch das stützt die Theorie, dass der Ausbau von Bildungseinrichtungen und sozialer Infrastruktur die beste Präventionsmaßnahme ge-gen Rechtsextremismus und Fremdenhass ist.

Alles in allem kann man zu dem Punkte-Programm der CDU gegen Rechtsextremismus und Anti-semitismus sagen: "Schön,dass sie eins haben!" Es gibt viele Punkte im Bereich der Onlineüberwa-chung und Datensammlung/Speicherung, von denen man befürchten muss, dass sie nichts mehr mit Datenschutz zu tun haben und sich nicht an die Achtung der Privatsphäre halten. Diese Punkte zu kritischen Themen sind aber so unkonkret formuliert, dass man auch nicht weiß, wo man mit seiner Kritik ansetzen soll.
Besonders im Bereich der Gesellschaftsfragen gibt es aber auch einige kleine gute Punkte, wie bei-spielsweise dem Ausbau von Jugendaustauschprogrammen mit Israel. Die genannten Punkte sind aber längst nicht ausreichend um wirklich die nötige Präventionsarbeit zu leisten.
Die von vielerlei Seite geäußerte und von vielen Studien gerechtfertigte Theorie, dass schlechte soziale Infrastruktur, schlechte Bildung und private finanzielle Probleme häufige Ursache für Fremdenhass oder Rechtsextremismus sein können, findet in dem gesamten Text keine Erwähnung. Das ist doch ziemlich erbärmlich für ein sechsseitiges Programm einer Regierungspartei.

Ich habe dieses Thema gewählt, weil ich mich sehr für Politik und besonders für das Thema des Rechtsextremismus interessiere. Ich bin in der Zeitung auf einen Kommentar zu dem Programm der CDU gestoßen und hatte danach sofort Interesse mir das Original einmal durchzulesen und meine Meinung dazu zu äußern.

 
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