Eine Reise durch die Tiefsee

Mette Rosenplänter/ Angelina Berg 9b Gymn. Altenholz 13. November 2020
Pottwale: Tiefenrekordhalter unter den Säugetieren © Gabriel Barathieu (CC-BY-SA 2.0)

Sicherlich haben Sie schon mal Mythen und Legenden von Seeungeheuern gehört, die vor langer Zeit die Weltmeere unsicher machten. Aber wie viel davon könnten tatsächlich existiert haben oder sogar noch existieren? Könnten die Ungeheuer aus den Legenden vielleicht in der Tiefsee überlebt haben? Stellen wir uns vor, wir tauchen mit einem U-Boot auf den Grund des Meeres. Was wird uns auf unserer Reise wirklich begegnen?

Epipelagial-Schicht

Wir starten in der ersten Schicht, der Epipelagial-Schicht. Die Epipelagial-Schicht ist die Zone des Ozeans, die wir Menschen am besten kennen und die besonders gut erforscht ist. Da die Epipelagial-Schicht die erste der Schichten ist, kann hier noch viel Licht von der Oberfläche die Wassermassen durchdringen. Interessant ist auch, dass die Ozeane weniger als zwei Prozent der gesamten Biomasse beherbergen, und davon leben neunzig Prozent nahe der Oberfläche. Da in dieser ersten Schicht das Licht noch gut ankommt, kann hier Photosynthese betrieben werden. Phytoplankton bildet hier die Grundlage des Ökosystems. Von diesem Phytoplankton ernährt sich größeres Plankton, von dem sich wiederum größere Arten ernähren. In dieser Tiefe sieht der Meeresboden wie ein magischer Unterwasserwald aus. Der Boden ist mit bunten Korallenriffen und Algen bedeckt. Hier leben zahlreiche Lebewesen. Je nachdem in welchem Teil der Welt man sich befindet, kann man hier natürlich unterschiedliche Pflanzen, Korallen und Tiere finden. Würden wir zum Beispiel versuchen, diesen Tauchgang in der Ostsee durchzuführen, würden wir nicht nur viel schneller auf den Meeresgrund stoßen, es sähe dort auch anders aus. Aber nehmen wir an, wir befinden uns in den Korallenriffen im Pazifik, in der Nähe der Philippinen und damit auch in der Nähe des Marianengrabens, dem tiefsten Punkt der Welt. In diesen Korallenriffen können wir viele kleine, große und bunte Fische, Korallen, Seeschnecken, Krabben, Krebse, Schildkröten und vielfältige andere Wesen sehen. Aber verlassen wir nun diesen angenehmen, bunten Teil der Meere und tauchen ab in weiter entlegene und tiefere Gebiete.

Kontinentalschelf

Wir tauchen weiter, bis wir den Kontinentalschelf erreicht haben und der Kontinentalhang unser Blickfeld erreicht. Je weiter wir den Kontinentalhang nach unten abtauchen, desto dunkler wird es. Hier wachsen weniger Pflanzen und damit leben hier auch weniger Tiere. Denn Pflanzen brauchen Licht, um Photosynthese zu betreiben und zu wachsen. Wir verlassen den Kontinentalhang bei ungefähr 285m Tiefe. Vor uns sehen wir in die Weiten des Ozeans...Was uns hier noch alles begegnen wird? 

Mesopelagial-Schicht

Wir befinden uns nun in der Mesopelagial-Schicht. Diese Schicht wirkt im Vergleich zur ersten Schicht ziemlich karg und schlicht. Es überrascht uns, dass wir trotz dieser Merkmale viele Fische sehen. Das liegt daran, dass viele Fische sich hier tagsüber vor Räubern verstecken und nachts in die oberen Schichten schwimmen, um dort zu fressen. Je tiefer wir kommen, desto höher wird der Druck. Auf unserem U-Boot lastet bereits ein Druck, der dem Gewicht von über 200 Autos entspricht. In dieser Zone begegnen wir aber faszinierenderen Lebewesen. Denn in dieser Zone leben viele Wesen, die Licht mit Hilfe von biolumineszenten Chemikalien erzeugen. Glühwürmchen und einige andere Insekten stellen mit ihrer Fähigkeit zu leuchten eine Besonderheit unter den landlebenden Tieren dar. In der Tiefsee dagegen beherrschen 90 Prozent der Lebewesen diese Kunst der Biolumineszenz und profitieren auf unterschiedliche Weise davon. Quallen, Fische, Krebse und alle möglichen anderen Lebewesen gleiten hier wie Aliens durchs Wasser. Aber diese Zone hat noch etwas Anderes, wofür es sich für die Tiere lohnt hier zu leben, und zwar Meeresschnee. Aber was ist Meeresschnee? Meeresschnee besteht aus toten Tier-und Pflanzenteilen, Ausscheidungen, Krebsschalen, Sand oder Staub. Für die meisten Tiere, die hier leben, ist der Meeresschnee die wichtigste oder einzige Nahrungsquelle. Ohne ihn würden die meisten Lebewesen in der Tiefsee wohl verhungern. In der unteren Schicht der Mesopelagial-Schicht treffen wir unser erstes Seeungeheuer. In dieser Tiefe jagen Pottwale nach Riesenkalmaren. Dieser Kampf der Giganten findet meistens in 500m-1000 m Tiefe statt. Es wurden aber auch schon Rückstände von Tieren in Pottwalmägen gefunden, die nur in 3500 m Tiefe vorkommen, ein klarer Beweis, dass Pottwale noch deutlich tiefer tauchen können als 1000m. Der Kampf zwischen Pottwal und Riesenkalmar ist brutal, aber ungleich: Dem Riesenkalmar bleibt keine Chance. Einmal zwischen den Kiefern des Wales und es gibt kein Entkommen mehr. Dennoch wehrt sich der Kalmar mit allen Mitteln und hinterlässt mit seinen Tentakeln tiefe Kratzer auf der Haut des Wals. Riesenkalmare sind gewaltig, aber wie gefährlich könnten Sie uns werden? Könnte so ein Riesenkalmar wirklich große Schiffe angreifen und in die Tiefe ziehen, wie in den Legenden vom Riesenkraken? Vermutlich nicht. Die größten Tiere die gefunden wurden, waren ungefähr 6 - 10 Meter lang, eine englische Galeone aus dem 16. Jahrhundert maß dagegen 50 – 60 Meter. Außerdem gäbe es keinen Grund, warum ein Riesenkalmar ein Schiff angreifen sollte. Sie kommen nur selten an die Oberfläche, und auch wenn nicht viel über ihre Nahrung bekannt ist, Menschen gehören nicht zu ihrer Beute. Vermutlich kommen die ganzen Geschichten über Riesenkraken von zufälligen Begegnungen mit Riesenkalmaren, die sich aus Versehen an die Oberfläche verirrt haben. Wir lassen das Mesopelagial nun hinter uns und tauchen weiter in die düstere Weite, die noch vor uns liegt.

Bathypelagial- Schicht

Wir erreichen die Bathypelagial-Schicht. Hier ist es so dunkel, dass wir nichts sehen können, was nicht vor die Lichter des U-Boots schwimmt oder selbst leuchtet. Diese Tiefe erreicht kein Licht mehr, das bedeutet auch, die Nahrung wird knapp. Es geht also alles ums Energiesparen und Überleben. Deshalb ist das Leben für Raubfische schwieriger als für andere Lebewesen, denn Raubfische müssen aktiv nach Fischen jagen, während andere einfach nur Partikel aus dem Wasser filtern. Wir sehen bizarre Wesen durchs Wasser gleiten wie den Anglerfisch oder den Viperfisch. Diese Fische haben leuchtende Köder und viele Reihen tödlich aussehender Zähne. Nachdem wir diese alienartigen Kreaturen hinter uns gelassen haben, treffen wir einen Kragenhai. Dieses lebende Fossil kann bis zu zwei Meter lang werden und besitzt mehrere Reihen nach hinten gebogener Zähne, mit denen er seine Beute unentrinnbar festhalten kann.

Abyssale Tiefen

Wir tauchen noch tiefer in die abyssalen Tiefen auf 3800 m. Würden wir uns vor der Küste Neufundlands befinden, würden wir hier auf das Grab der Titanic stoßen. Auch hier kommt alles auf effektives Energiesparen an. Alles passiert hier extrem langsam. Die Lebewesen in dieser Zone machen nur dann schnelle Bewegungen, wenn sie sich bedroht fühlen. In den abyssalen Tiefen treffen wir erstmals wieder auf den Meeresgrund. Je nachdem, wo man sich befindet, reichen die abyssalen Tiefen von 3800m - 6000m Tiefe. Es gibt aber auch in der Wissenschaft andere Definitionen, wo die unterschiedlichen Tiefen anfangen und enden. Hier wohnen Tiere wie Garnelen oder Seegurken die sich von den Resten des Meeresschnees ernähren. Mehr Leben findet man hier an den Stellen, wo tektonische Platten auseinanderdriften. Dort heizt das Magma unter der Erdkruste Meerwasser auf. Dadurch entstehen schwarze und weiße Raucher. Das sind Löcher oder Mineraliengebilde, aus denen 300° - 400° heißes Wasser mit darin gelösten Mineralien in das 2° warme Wasser strömt. Dadurch entstehen weiße oder schwarze Rauchsäulen unter Wasser, daher auch der Name. Hier leben extremophile Bakterien, die sich darauf spezialisiert haben, Mineralien in organische Substanzen umzuwandeln. Sie bilden die Basis für dieses Ökosystem.

Hadalzone: im Challengertief

An den meisten der Stellen der Erde ist in den abyssalen Tiefen Schluss. Aber wir befinden uns im pazifischen Ozean und können somit weiter abtauchen, in die Hadalzone. Sie beginnt in 6000 m Tiefe und erreicht auf 11000 m den Boden des Marianengrabens, das Challengertief. Diese Schicht besteht aus langen Tiefseerillen. Hier unten leben nur Extremophile, wie zum Beispiel der Pseudoliparis swirejv, welcher als einziger Fisch in einer Tiefe von 8000 m überleben kann. Aber unser Ziel ist ein Graben innerhalb des Marianengrabens, das Challengertief. Hier hätten wir kein Leben erwartet, aber wir haben uns getäuscht. 11000m unter der Wasseroberfläche leben Seegurken und Flohkrebse. Beeindruckend ist ihre Größe, die Tiefseeflohkrebse können bis zu 30 cm lang werden. Die einzigen Menschen, die diesen Ort je gesehen haben, sind Jacques Piccard und Don Walsh. Sie erreichten 1960 mit ihrem U-Boot Trieste eine Tiefe von 10911 m. Trotzdem können wir in dieser Tiefe den Einfluss des Menschen sehen, in Form von Plastiktüten. Diese wurden 2018 bereits von Wissenschaftlern entdeckt.

Wir haben unser Ziel erreicht. Wir sind durch die verschiedenen Schichten des pazifischen Ozeans getaucht bis zum tiefsten Punkt der Erde. Wir haben viel interessante Lebensformen gesehen und gestaunt, wie Leben an solch extremen Orten möglich ist. Wir sahen Seeungeheuer und Aliens, aber dennoch kennen wir noch nicht einmal einen Bruchteil von dem, was in den Weiten der Weltmeere lebt. Es ist Zeit, dass wir diese faszinierende Welt hinter uns lassen und wieder auftauchen. 

 

 

 
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