Nǐ hǎo, Online-Unterricht

Jenny Guo (Gymnasium Altenholz, 9d) 17. November 2020 1 Kommentar(e)
Schülerin beim Online-Unterricht © Xuan Liang Ausschnitt aus dem Lehrbuch © Jenny Guo

Auch an der chinesischen Schule findet der Unterricht online statt

Laptop auf, Bildschirm an, Kopfhörer rein — ungefähr so beginnt seit Anfang des Jahres der Unterricht an der Hanhua Chinesischen Schule in Hamburg. Jeden Sonntag wird hier Chinesisch unterrichtet, allerdings aktuell nur online. So etwas gab es in der Geschichte der Schule noch nie.


Die Hanhua Chinesische Schule wurde 1993 von der Schulleiterin Frau Kaifen Zhou gegründet. Rund 200-300 Schüler gehen hier jedes Wochenende zur Schule, teilweise auch nicht nur, um Chinesisch zu lernen. Das Angebot umfasst nämlich mittlerweile auch Kurse mit künstlerischer, musikalischer und sportlicher Ausrichtung. Tischtennis, Kalligrafie oder Gesang sind zum Beispiel sehr beliebt. Mit drei Schulstandorten in Hamburg zählt die Schule zu den größten chinesischen Schulen Europas.
Als im Januar das Coronavirus in China ausbrach, reagierte die Schule bereits. Nachdem zahlreiche Veranstaltungen abgesagt wurden, wie zum Beispiel das jährlich traditionell stattfindende Frühlingsfest, wurde zusätzlich beschlossen, den regulären Präsenzunterricht anzuhalten. Ab sofort sollte online unterrichtet werden, beispielsweise über Plattformen wie „Zoom" oder „DingTalk". Dieses Konzept hat bis heute Bestand, dennoch sind die Meinungen darüber gespalten. Der 16-jährige Desen Cai, ein Schüler der Chinesischen Schule erzählt: „Ich finde, dass man sich nicht so gut konzentrieren kann wie im normalen Unterricht. Außerdem habe ich mehr Motivation, wenn ich mit anderen Schülern zusammen lerne, als wenn ich alleine zu Hause vor dem Computer sitze". Das sehen nicht alle so. „Das Konzept stößt schon an seine Grenzen, allerdings bringt es auch Vorteile mit sich. Wir wohnen etwas weiter weg von Hamburg. Mit dem Online-Unterricht bleibt uns die Autofahrt gespart. Außerdem ist der Lerneffekt auch immer noch da", behauptet Frau Wei Zhong, die Mutter einer Schülerin aus Kiel.
Die Schule ist für jeden freiwillig und Unterricht findet nur ein bis zwei Mal pro Woche statt. Anders als in deutschen Schulen lernt man meist nur mit einem Lehrbuch, in dem ausschließlich Texte enthalten sind, darunter zum Beispiel Ausschnitte aus Romanen, Prosa und alte Gedichte. Herr Gaoyuan Chen studierte in China an der Universität Peking und kam aufgrund seines Studienfachs der Buddhismuskunde nach Hamburg. Jetzt ist er Lehrer an der Hanhua Chinesischen Schule. Er sieht die Schule so: „Die Schulform und die Unterrichtsweise der Hanhua Chinesischen Schule ist ganz speziell. Es besteht keine Schulpflicht, sie zählt also nicht zu einer normalen üblichen Schule. Allerdings ist der Unterricht auch kein rein interessenbasierter Kurs, denn es gibt auch einige Schüler, die aufgrund der Ansprüche ihrer Eltern zur Schule gehen. Chinesisch zu lernen ist auch anders als zum Beispiel Klavier zu spielen oder Sport zu treiben".
Der Online-Unterricht wird nun schon seit fast einem Jahr durchgeführt. Voraussichtlich wird dieser auch erstmals die einzige Alternative sein, dies sei immerhin besser als gar kein Unterricht. Frau Kaifen Zhou aber versichert: „Sobald Präsenzunterricht wieder möglich ist, wird dieser auch stattfinden. Wann dieser Tag allerdings kommen wird, hängt natürlich ganz stark von der Entwicklung der Pandemie ab".

 

 

 

Interview mit Frau Kaifen Zhou

Jenny Guo: Warum haben Sie die Hanhua Chinesische Schule 1993 gegründet? Gibt es eine Geschichte dahinter?
Kaifen Zhou: Es begann damit, dass meine Tochter Chinesisch lernen wollte. 1989 sind wir von China nach Deutschland gekommen. Ich hatte Lehrmaterial mit im Koffer und nahm mir vor, sie selbst zu unterrichten. Meine Tochter war damals sechs Jahre alt und wir wohnten noch in Bochum. Zufällig gab es fünf, sechs Eltern, deren Kinder ungefähr so alt waren wie meine Tochter. Zusammen beschlossen wir dann, die Kinder abwechselnd zu unterrichten. Nach zwei Wochen habe ich allerdings gemerkt, dass dieses System nicht funktionierte. Ich beschloss, die Kinder selbst weiter zu unterrichten. So ging es dann ungefähr ein Jahr lang. Schließlich sind wir von Bochum nach Hamburg gezogen, der Unterricht sollte aber weitergehen. Damals gab es leider noch keine gute chinesische Schule in Hamburg. Also suchte ich wieder andere Eltern und Kinder, die auch Interesse am Unterricht hatten, denn nur so konnte ich mir selbst eine Art verpflichtende Aufgabe stellen, die Kinder wirklich regelmäßig weiter zu lehren. Zum Beispiel hatte ich einen guten Freund in einer Bücherei, welcher mir viel geholfen hatte, indem ich Werbung für meinen Unterricht dort aushängen konnte. Mit Hilfe von anderen deutschen Freunden, habe ich schließlich einen Keller gefunden, der mir für meinen Unterricht kostenlos zur Verfügung gestellt wurde. Viele Schüler gab es damals nicht, es waren nur vier oder fünf. Jeden Montagnachmittag habe ich dann die Kinder in diesem Keller unterrichtet, mit der Zeit wurden es immer mehr. Häufig erwähnten Eltern, dass der Werktag Montag nicht gut passte, da alle arbeiten müssten. Darum wurde die Unterrichtszeit dann auf Samstag und Sonntag umgeändert. Unser Unterrichtsort wechselte auch oft, zuerst waren wir in diesem Keller, dann auch mal eine Zeit lang bei mir zu Hause und schließlich auch in einem Zimmer neben einem Sportplatz. An diesem Sportplatz konnten dann viele Eltern Sport betreiben, während sie auf ihre Kinder warteten. So wuchs die Schule dann immer weiter.

Was halten Sie von dem jetzigen Online-Unterricht? Welche Auswirkungen hat dieser auf die Schüler?
Der Online-Unterricht ist meiner Meinung nach bestimmt nicht besser als der Präsenzunterricht. Besonders bei jüngeren Schülern ist das schwierig, sie beherrschen das eigenverantwortliche Lernen meist noch nicht und man ist sich oft nicht sicher, ob sie vor dem Bildschirm gerade wirklich aufpassen. Außerdem sind es viele auch nicht gewohnt und mögen es nicht, solange vor einem Computer zu sitzen. Das sind auch Gründe dafür, weshalb viele Eltern die Entscheidung getroffen haben, sich von der Schule kurzzeitig abzumelden. Vor der Pandemie gab es noch über 300 Schüler, jetzt sind es nur noch ungefähr 200. Wenn man aber unbedingt von den Vorteilen sprechen will, dann gibt es eigentlich nur einen Punkt, nämlich dass der Online-Unterricht praktisch ist und für disziplinierte Schüler viel Zeit einspart.

Wird denn nach der Pandemie noch Online-Unterricht an der Schule angeboten werden?
Wir haben das Thema bereits im Februar diskutiert, als es gerade mit dem digitalen Unterricht angefangen hatte. Aber ich habe das Gefühl, dass die Durchsetzung nicht viel bringen wird. Denn der Online-Unterricht wird nur für diejenigen infrage kommen, die weiter weg wohnen. Wenn der Präsenzunterricht wieder normal stattfinden kann, werden sich die allermeisten auch für den entscheiden.

 

* Alle Interviews wurden auf Chinesisch geführt und anschließend ins Deutsche übersetzt.

 
1 Kommentar(e)
  1. Ida Laufs
    19. November 2020

    Hallo Jenny! Mir gefällt deine Reportage über die chinesischen Schulen in Hamburg sehr gut! Vorallem hat mir das Interview mit der Gründerin gefallen!!! Deine Ida

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