Corona: Einzelhandel in der Krise

Louis Kosich, Benedikt Ahrens (Gym Ahz, 9a) 17. November 2021 1 Kommentar(e)
Das Geschäft KULT im Kieler Sophienhof © DE.WorldOrgs.com© 2020-2021 All rights reserved

Eindrücke aus einem Gespräch mit der Inhaberin des Modegeschäfts KULT

Kiel. Der Laden KULT im Sophienhof ist am 6. November gut gefüllt mit modeinteressierten Leuten. Die angeheizte Stimmung lässt den Kaufrausch der bevorstehenden Vorweihnachtszeit nur erahnen. Wir sind überrascht, wie voll der Laden trotz der aktuellen Umstände doch ist.
Derzeit liefe es gut, so Geschäftsinhaberin Frau Brandt, eine lebensfrohe Frau Mitte 20, aber sie wird plötzlich etwas melancholisch, als wir sie auf die Situation vor gut 1 ½ Jahren ansprechen. Sie erzählt von unvorhergesehenen Lockdowns, Umsatzeinbußen, unbezahlten Rechnungen und aufgebrachter Kundschaft. So wie ihr sei es in dieser Zeit vielen Einzelhändlern gegangen. Nicht alle hatten so viel Glück wie sie und konnten ihr Geschäft in dieser schweren Zeit über Wasser halten.
Auch KULT stand zeitweise kurz vor dem Konkurs. Anfang Dezember 2020 musste Frau Brandt wegen des Lockdowns ihre Filiale schließen. Von den Grundversorgern wie Lebensmittelläden und Tankstellen abgesehen waren so ziemlich alle Geschäfte von diesen Maßnahmen betroffen. Eine schwere Zeit sei es gewesen, sie nimmt einen Schluck aus ihrer Kaffeetasse, trotz aller Versuche, sich mithilfe des Online-Vertriebs über Wasser zu halten. Die meisten ihrer Kunden seien Spontankäufer, sagt sie. Sie besuchen das Geschäft in der Hoffnung, etwas zu finden, was sie anspricht. Es gehe viel um die Interkation mit der Ware, um fühlen, anfassen, anprobieren. All das sei im Online-Geschäft unmöglich und wer trotz allem online einkaufe, ziehe die großen Portale wie Amazon den Internet-Auftritten kleinerer Ketten vor. Besonders Leid tat es ihr um ihre Mitarbeiter. Geschult auf Verkaufsberatung und der Aufrechterhaltung des Filialbetriebs, gab es wenig für sie zu tun. „Auch der Online-Handel ging uns als einzelnen Standort nichts an", sagt sie, „das haben alle die da oben organisiert".
Sie habe keine andere Wahl gehabt. Mehr als Kontrollgänge seien in dieser Zeit nicht nötig gewesen. Und Löhne kürzen sei keine Option gewesen. Azubigehälter bieten hier nicht viel Spielraum und die anderen Mitarbeiter bekommen ohnehin schon den Mindestlohn. Die Zeiten waren hart und durch die Pandemie sei es vollends eskaliert. Erst Anfang März durfte der Einzelhandelsbetrieb nach einem viertel Jahr Lockdown unter strengen Auflagen wieder öffnen. Allerdings sei es auch mit viel Arbeit verbunden gewesen. Vom Staat gab es strenge gesetzliche Hygienemaßnahmen, die unbedingt einzuhalten waren. Die Strafen für Verstöße gegen diese Regeln seien drastisch. Das hätte sie sich niemals erlauben können. Und es sei ihr ja auch daran gelegen, ihren Kunden ein sicheres Einkaufserlebnis zu bieten.
Die Wiedereröffnung beanspruchte viele verschiedene Schulungen für die Verkäufer, um auch während der Krise fit für den Umgang mit den Kunden zu sein. Dazu zählte zum Beispiel die ständige Maskenpflicht, Abstandsmarkierungen, begrenzte Kundenzahl, Raumverkleinerung und später im zweiten Lockdown auch Kontaktdaten oder das Verwenden der Luca-App. Als Kunden des Geschäfts erinnern auch wir uns sehr gut an diese Zeit. Der Laden sah plötzlich sehr anders aus, als wir ihn in Erinnerung hatten. Überall waren Trennwände, Plexiglasscheiben und Absperrband. Eine Notwendigkeit, aber sicherlich nicht gerade förderlich für das Geschäft.
Manchmal mussten wir sogar vor dem Laden warten bis wir an der Reihe waren, um das Geschäft überhaupt betreten zu dürfen. Was uns damals störte und wofür wir teils möglicherweise zu wenig Verständnis aufbrachten, erscheint uns im Gespräch mit Frau Brandt plötzlich sinnvoll und unvermeidlich. Es war eine Zeit, in der es noch keine Impfstoffe gab. Auch Testmöglichkeiten bestanden noch nicht in der Form, wie wir sie heute kennen.
„Obwohl diese Regelungen vom Staat vorgeschrieben wurden, war die Kommunikation mit der Regierung sehr schwer", beschreibt Frau Brandt. Tatsächlich sind in dieser Zeit sehr viele Läden auch aufgrund der doch eher geringfügigen finanziellen Unterstützung von Seiten der Regierung pleite gegangen, was sowohl in Deutschland, als auch in anderen Ländern der Welt ein großes Problem in der Einzelhandelswirtschaft war. Sie selbst fand die Zeit der Wiedereröffnung der Filiale und das Umsetzen der zusätzlichen Regeln sehr ungewohnt und stressig. Dennoch hielt sie es für sehr wichtig weiterhin physisch im Laden präsent zu sein, da es entscheidend sei, mit den Kunden in Kontakt zu treten und ihn beraten zu können. Dies war auch ein großer Ansporn für die Mitarbeiter. Obwohl KULT in dieser Zeit Verluste gemacht hat, gab es im Laden keine Preiserhöhungen. Im Gegensatz zu einigen Konkurrenten, die versuchten sich durch steigende Preise wieder etwas zu erholen, habe man sich von Anfang an gegen diese Praktik entschieden. Es sei nicht die Philosophie ihres Geschäfts, Kunden in einer Zeit, in der für viele das Geld ohnehin schon knapper ist als sonst, noch zusätzlich in die Tasche zu greifen. Außerdem kurbeln bezahlbare Preise die Nachfrage an. Wir spürten, dass Frau Brandt trotz ihres junges Alters eine erfahrene Geschäftsfrau ist.
Im Gegensatz zu anderen Läden hat KULT von 10:00 Uhr bis 20:00 Uhr geöffnet. Der Vorteil gegenüber der Konkurrenz, die zumeist bereit um 18:00 Uhr schließt sei nicht von der Hand zu weisen. „Abends sind wir praktisch konkurrenzlos", sagt sie mit einem Lächeln. Außerdem war es auf diese Weise leichter, dem Andrang stand zu halten, als nur begrenzt viele Kunden in den Laden durften, weil sich die Menschen auf eine längere Zeitspanne verteilen konnten. Es bedeute ein erhebliches Maß an zusätzlicher Arbeit, aber ihre Kunden und die Zukunft ihres Ladens sei ihr das mehr als Wert. Wie sie deutlich betonte, sei es ihr gerade in Zeiten, in denen sich der Handel immer mehr ins Internet verlagert, ein zusätzlicher Ansporn, das Bedürfnis der Leute nach menschlichem Kontakt zu erfüllen. Als Einzelhändlerin gehe es ihr nicht nur um die Zukunft ihres eigenen Geschäfts, sondern um die Zukunft der gesamten Branche.
KULT bietet viele verschiedene Modeartikel an. Unter anderem ein breites Spektrum an Marken wie zum Beispiel Tommy Hilfiger, The North Face oder Nike. Unter anderem auch alle möglichen Kleider für die Altersgruppen 16-40. Die meisten Artikel sind aber eher für jüngere Leute im Bereich zwischen 17-21 Jahren gedacht. Nun versucht man auch über Social Media, zum Beispiel Instagram, auch in Corona Zeiten Interesse für Mode aller Art zu erzeugen. Außerdem setzt das Geschäft auf die Nachhaltigkeit ihrer Produkte. Man achtet zum Beispiel auf einen geringeren CO2-Ausstoss der Klamottenproduktion im Vergleich zu anderen Herstellern.
Wir verlassen das Geschäft mit gemischten Gefühlen. Oft haben wir uns über die Corona-Maßnahmen geärgert, allerdings waren wir auch oft wegen der Gesundheit besorgt. Eine Perspektive, die wir bisher nicht hatten war die des Einzelhandels. Vieles, was uns bisher unsinnig oder nervig erschien, sehen wir jetzt in einem ganz neuen Licht. Der Konflikt gleichzeitig Gesundheit und Leben der Menschen zu schützen, den Alltag so gut es geht am Laufen zu halten und Menschen, deren Leben vom Funktionieren der Wirtschaft abhängt, vor dem Ruin zu bewahren, scheint so präsent wie nie. Aus diesen Gründen hoffen wir für Menschen wie Frau Brandt und ihren Mitarbeitern, dass die Corona-Pandemie bald vorrübergeht.

 
1 Kommentar(e)
  1. Maya
    24. November 2021

    ich find's toll:)

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