Die Stimme der Jugend: Politik erreicht uns nicht – Mehr Inhalte über digitale Medien
Die gute Nachricht: Jugendliche interessieren sich für Politik. Aber die mehr als 30 Befragten im Kreis Plön sind ziemlich frustriert: Sie fühlen sich von den Politikern nicht angesprochen, nicht erreicht über die digitalen Kanäle, die sie nutzen. Die 16- bis 18-Jährigen haben einige Ideen, wie Parteien um ihre Stimmen werben können, denn bald ist Landtagswahl.
"Man sollte viel stärker die Jugend integrieren und ansprechende Wahlprogramme zum Beispiel als kurze Videos machen", fordert zum Beispiel der 16-jährige Philipp. Und damit spricht er aus, was viele so oder ähnlich formulieren. "Politik soll verständlicher werden, einfachere Formulierungen nutzen, damit mehr Menschen wirklich verstehen, worum es geht", findet auch Fabius.
Mühsam, anstrengend, langweilig – so empfinden einige der Befragten die Auseinandersetzung mit Politik. Denn Sachverhalte sind sehr komplex und werden nicht runtergebrochen, um verständlicher zu sein, so die Kritik. Politik spreche eher die älteren Menschen an, betonen viele der Befragten.
Der Wunsch des Nachwuchses ist, dass Politiker*Innen mehr den Fokus auf die jüngere Generation legen. Die Jugend fühlt sich häufig nicht ernst genommen, nicht abgeholt. Sprechen die überhaupt meine Sprache?
Es gibt durchaus Jugendliche, die sich selbständig in ihrer Freizeit mit der Politik auseinandersetzen. Motiviert sind sie in erster Linie durch soziale Medien wie Instagram, Snapchat, Twitter und andere: Medien, die das Potenzial haben, die junge Generation zu erreichen, die von vielen Parteien oder einzelnen Politiker*Innen aber wenig oder eher ungeschickt genutzt werden. So empfinden es zumindest viele der Befragten.
Die junge Generation ist auf diesen Kanälen unterwegs – aber nicht allen Parteien gelingt es, sie dort abzuholen, ihre Sprache zu sprechen. Sehen beispielsweise die Posts bei Instagram aus wie Wahlplakate, funktioniert das nicht, erklärt Social-Media Expertin Ann-Katrin Schmitz im Stern-Podcast "Heute wichtig".
"Olaf Scholz, Kanzlerkandidat der SPD, hat in einem Interview gesagt, er habe nicht mal die App auf seinem Handy, und den Kanal betreuen irgendwelche Mitarbeiter", kritisiert der 18-jährigeThies. Das spreche ihn nicht an und mache den Scholz-Kanal für ihn unglaubwürdig. Persönliches und Privates teilen, das ist eher der Weg der auf Instagram funktioniert und die jugendlichen Wähler anspricht. Die Grüne Spitzenkandidatin Annalena Baerbock hat im Wahlkampf zur Bundestagswahl vorgemacht und mit 300.000 Followern auch einen deutlichen Vorsprung zu den männlichen Kontrahenten. Scholz und Armin Laschet (CDU-Kandidat) begnügen sich mit je 80.000 Followern.
Grüne und FDP sind die Parteien, denen junge Wähler in erster Linie bei der Bundestagswahl ihr Kreuz gegeben haben. Das haben die Wahlanalysen ergeben. Und auch bei der Juniorwahl, die am Gymnasium Lütjenburg durchgeführt wurde fällt das Ergebnis ähnlich aus.
345000 Follower hat FDP-Chef Christian Lindner auf Instagram. Wenn ihn sonst sicher viel von Baerbock unterscheidet – bei der Zahl der Follower gibt es Parallelen. Sicher sind die Präsenz und die Ansprache auf Instagram nicht die alleinigen Gründe, warum gerade diese Parteien so gut bei jungen Menschen abgeschnitten haben. Sie haben die Themen auf den digitalen Kanälen transportiert - nicht nur mit Wahlplakaten und TV-Auftritten.
28.000 Follower hat Ministerpräsident Daniel Günther. Er nutzt den Kanal nicht täglich - aber mehrfach pro Woche. Mal mit Foto und Text, ab und zu aber auch mit kurzen Videos: „Neben den traditionellen Medien wie Tageszeitungen, Hörfunk und Fernsehen haben soziale Medien fraglos an Bedeutung zugenommen", so Günther.
Facebook, Twitter und Co. seien heute ein unverzichtbares zusätzliches Instrument der Kommunikation zwischen Politik, Regierungsbehörden und Öffentlichkeit. „Vorteil dabei ist, dass Botschaften ungefiltert und schnell verbreitet werden können. Man erreicht ein großes Publikum. Ich selbst nutze - mit Unterstützung von Mitarbeitern - nicht nur Instagram, sondern auch Facebook", sagt der Ministerpräsident. Über diese Kanäle erreicht er unterschiedliche Zielgruppen: „Gerade in der Corona-Krise waren diese Plattformen für die schnelle Übermittlung von Entscheidungen – etwa nach Beratungen von Bund und Ländern – wichtig."
Selbst der Landtag des nördlichsten Bundeslandes ist online gegangen. Gerade mal 4000 Follower sind es erst – aber die Zahl wächst. Und dahinter steht die Hoffnung, mehr Jugendliche für Politik zu interessieren.
Denn das generelle Interesse ist bei vielen Jugendlichen da. Klimaschutz ist nur eines der Themen. "Ich wünsche mir, dass jüngere Menschen aufgrund ihrer wenigen Erfahrung im Leben nicht mehr belächelt und absichtlich überhört werden", fordert die 18-jährige Josie: „Ja, ich würde gerne meine Stimme einbringen." Und das ist auch völlig berechtigt, da es ja nun mal die Jungen sind, die in Zukunft mit den langfristigen Folgen der aktuellen politichen Entscheidungen leben müssen.
Aber wo bringt man seine Stimme ein? Das konnte weder Josie noch sonst jemand der Befragten sagen. In eine Partei eintreten – nein, lieber nicht, denn keine entspreche ganz genau den eigenen Idealen und Vorstellungen. Da waren sich alle einig. Aber es findet ein reger Austausch statt, es wird diskutiert unter den Jugendlichen.
Am 8. Mai 2022 ist Landtagswahl in Schleswig Holstein. Bald wird er losgehen, der Wahlkampf der Parteien und Spitzenkandidaten. Die Jugend wartet gespannt, wer sie abholt, ihre Sprache spricht und das Gefühl gibt, gehört zu werden. Zum zweiten Mal können auch 16-jährige Jugendliche mitentscheiden. Auf Landesebene, hier in Schleswig Holstein, geht das schon. Nachdem auf Bundesebene erst im Mai dieses Jahres ein Antrag auf Änderung des Wahlrechts abgelehnt wurde, plant die Ampelkoalition nun doch auch 16 jährige mitbestimmen zu lassen.
" Ich finde, es ist meine Pflicht, mich zu informieren, denn ich will ja auch wählen", sagt der 18-jährige Henrik – und das sehen die meisten so. Denn am Ende ist Politik spannend.