Einsatz auf vier Pfoten

Freya Thilow und Madita Johannsen 9d Gym Ahz 18. November 2021 2 Kommentar(e)
Zwergpudel Sonny steht kurz vor Abschluss © privat Königspudel Joko © privat

Hunde erweisen sich als Helfer in vielen sozialen Bereichen - auch in der Justiz

Der kleine Zwergpudel Sunny wartet mit schief gelegtem Kopf aufmerksam auf Anweisungen seiner Hundeführerin. Sunny ist heute im Rahmen seiner Ausbildung zum Besuchshund das erste Mal in einem Altenpflegeheim und hat die Aufgabe, den alten Menschen dort einen Moment der Freude zu schenken. Die anwesende Ausbilderin und Fachkraft für tiergestützte Interventionen Marika Jensen möchte wiederum beobachten, wie sich Sunny in der für ihn fremden Umgebung verhält und ob er für die Arbeit mit alten Menschen und Kindern geeignet ist. Den Rollstuhl der alten Dame findet der kleine Hund zugegebenermaßen etwas unheimlich - einen Stuhl, der sich bewegt, hat er noch nie gesehen. Auch die Gerüche sind ihm fremd. Trotzdem lässt er sich der alten Dame anstandslos auf den Schoß setzen und wedelt freundlich mit dem Schwanz, während sie ihn streichelt und mit ihm redet. Über das Gesicht der alten Dame geht ein Lächeln.
Im Rahmen seiner Ausbildung hat Sunny zusammen mit seiner Hundeführerin bereits eine Vielzahl von Stationen und Prüfungen durchlaufen. Es fehlen noch der Besuch einer Grundschule und eine Prüfung in seinem späteren Einsatzbereich. Sobald er seine Ausbildung abgeschlossen hat, soll er nach dem Wunsch seiner Hundeführerin als Gerichtshund eingesetzt werden. Seine Hundeführerin, Antje Thilow, ist Richterin. Ein Hund vor Gericht? Wie kommt man auf diese Idee? Ganz so neu sei der Gedanke nicht, erklärt sie. Schließlich würden speziell geschulte Hunde bereits in vielen sozialen und psychologischen Bereichen als Assistenten und Therapiebegleiter eingesetzt. Auch sogenannte Gerichtshunde bzw. Justizhunde gebe es bereits vereinzelt. Insbesondere im Bereich des Opferschutzes und der Anhörung von Kindern würden Hunde vor Gericht eingesetzt. Die Richterin ist davon überzeugt, dass die Anwesenheit eines Hundes Parteien, Betroffenen und Zeugen die Aussage vor Gericht erheblich erleichtern könne. Mit einer Hand im Fell eines Hundes sei es leichter, belastende oder traumatische Erlebnisse vor fremden Menschen wie Anwälten oder Richtern zu schildern. Ein Hund im Gerichtssaal sorge für eine beruhigende und positive Atmosphäre und verringere ein mögliches Stress- und Aggressionspotential.
Tatsächlich belegen zahlreiche Studien, dass allein die Anwesenheit eines Hundes den Blutdruck senkt und Unsicherheiten und Aggressionen reduziert. Das lässt sich durch das Bindungshormon Oxytocin (sog.„Kuschelhormon") erklären. Oxytocin vermittelt ein Gefühl von Sicherheit und Vertrauen. Da das Hormon die Aufmerksamkeit für soziale Reize verstärkt, führt es auf physiologischer Ebene zu einem Gefühl der Ruhe und reduziert den Stress. Hinzu kommt, dass Hunde anders als Menschen keine Vorurteile haben und nicht werten. Sie nehmen die Menschen bedingungslos an, so wie sie sind. Dadurch wird das Selbstwertgefühl der Betroffenen gestärkt und es wird ein Gefühl der Akzeptanz vermittelt. Hunde sind emphatische Tiere, die Stimmungen sehr gut wahrnehmen können und sie reflektieren. Dadurch kann Beteiligten eine Art „Spiegel des Verhaltens" vorgehalten werden, was ihnen hilft, ihr Auftreten zu kontrollieren und in Frage zu stellen. Dies kann in Streitsituationen für Ruhe und Entspannung sorgen.
Britta Peitz weiß dies aus ihrer Erfahrung als Familienberaterin zu bestätigen. Sie arbeitet seit Jahren mit Kindern und der Unterstützung von Hunden. Wenn es darum geht, einen Zugang zu Kindern zu bekommen, ihnen ein Selbstwertgefühl zu vermitteln und Ängste abzubauen, ist ihr weißer Königspudel Yoko an ihrer Seite. Dabei sei es wichtig, die Geschichte des Kindes zu kennen, um zu wissen, wie man den Hund einsetze, erzählt sie. Bei einem Kind mit ADHS beispielsweise agiere Yoko als beruhigende Kraft. Für traumatisierte oder ängstliche Kinder gehe es darum, das Selbstbewusstsein zu stärken. Indem die Kinder dem Hund Kommandos gäben, die dieser befolge, erlebten sie, dass ihr Handeln etwas bewirke und sie würden lernen, Grenzen zu setzen. Manchmal, erzählt sie, sei es gut, sich selbst zurückzunehmen und dem Hund ganz die Führung zu überlassen: „Vor einigen Jahren habe ich mit einer Gruppe Kinder gearbeitet. Wir kamen in einem Stuhlkreis zusammen und die Kinder führten Übungen mit Yokos Vorgänger Bootsmann aus. Nur Elias, ein autistischer Junge, blieb immer in einer Ecke des Raumes und drehte sich dort unablässig im Kreis. Anstelle den Jungen selbst zu überzeugen, sich zu uns in den Sitzkreis zu setzen, schickte ich den Hund zu ihm. Was keinem der Erwachsenen gelungen war, gelang dem Hund. Elias wandte sich ihm zu und streichelte ihn. Gemeinsam mit Bootsmann kam er in den Stuhlkreis und es stellte sich heraus, dass er genau wusste, wie die Übungen funktionierten. Das war ein toller Moment!"
Entscheidend für den Therapieerfolg ist somit stets eine gute Zusammenarbeit zwischen Mensch und Hund und ein gutes Gespür auf beiden Seiten, welche Eigenschaften des Hundes in der konkreten Situation gefragt sind. Nicht jeder Hund ist für die Ausbildung zum Besuchs- bzw. Therapiebegleithund geeignet. Hunde, die einen unruhiges, starres Verhalten an den Tag legen, eignen sich weniger gut. Jegliche Form der Aggressivität ist ein Ausschlusskriterium. Um später Erfolg als Besuchs- oder Therapiebegleithund zu haben, ist es wichtig, einen ruhigen, freundlichen und offenen Charakter zu haben. Der Charakter und die Eigenschaften des Hundes sind dabei viel wichtiger als die Rasse oder Größe. Natürlich gibt es Hunderassen wie Labradore, Pudel oder Golden Retriever, die sich besonders gut für eine solche Ausbildung eignen. Doch grundsätzlich gilt, dass jeder Hund - sei es ein Rassehund oder Mischling - unter den richtigen Voraussetzungen zu einem Therapie(begleit)hund herangezogen werden kann.
Sunny hat inzwischen seine heutige Aufgabe mit Bravour erfüllt und tobt nun glücklich am Strand mit seinem Lieblingsball, denn ein langer Spaziergang ist die Belohnung für jeden Einsatz. Er hat keine Ahnung, dass sein heutiger Besuch im Altersheim ein Lichtblick im Alltag der alten Menschen war. Er interessiert sich auch nicht für Paragraphen und die Rechtsprechung, aber er liebt Kinder, spielt gerne Ball und kennt eine Menge Kunststücke. Wenn es ihm so gelingt, Kindern die Angst vor einem Gerichtsaal zu nehmen oder Zeugen die Aussage zu erleichtern, hat er seine Aufgabe erfüllt.

 
2 Kommentar(e)
  1. Jürgen Schimt
    25. November 2021

    sper duper Text
  2. Katrinni
    25. November 2021

    Einfach nur wunderbar diese Wörter eine Augenweide!!!zauberhaft

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