Ende des Kükentötens - Neue Perspektiven?

Emma Gehrke, WPU Medienpraxis am Gymnasium Lütjenburg 18. November 2021

Bruderhahn-Konzept oder Geschlechtsbestimmung im Ei - Was wird die neue Alternative?Leben nur, um getötet zu werden? So geht es vielen männlichen Küken, sie gelten als unbrauchbar, ihre Aufzucht lohnt sich nicht, da sie weder Eier legen, noch genügend Fleisch ansetzen. Die Küken sind überflüssig.

Schon seit 2011 ist das Kükenschreddern in Deutschland verboten, am Leben bleiben sie dennoch nicht. Sie werden kurz nach dem Schlüpfen routinemäßig mit Gas getötet. Jährlich verlieren so mehr als 40 Millionen männliche Küken ihr Leben. Ab nächstem Jahr soll damit nun Schluss sein, das Küken-Töten wird in Deutschland verboten werden.

Schon in 2016 stellten die Grünen einen Antrag gegen das Töten von Küken. 2019 hätte das Verbot eintreten sollen, jedoch war die Technik zur Geschlechtsbestimmung im Ei zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgereift. Die Geschlechtsbestimmung im Ei ist eine der zwei Strategien, auf die gesetzt wird. Diese Technik erlaubt es, männliche Küken im Ei zu identifizieren und die betreffenden Eier auszusortieren, so dass nur weibliche Küken schlüpfen.

Der Zeitpunkt des „Aussortierens" spielt hier eine große Rolle. Die Brutzeit von Hühnern beträgt 21 Tage, ab dem 15. Tag kann, das sich entwickelnde Küken Schmerzen empfinden. Vor dem 7. Tag ist dies mit großer Sicherheit nicht der Fall, die Reizleitungsbahnen sind in dieser Phase noch nicht weit entwickelt, so kann kein Schmerzreiz im Gehirn ankommen. Für dieses Verfahren gibt es bereits auch schon einige Ansätze. Die am frühesten einsetzbaren marktreifen Verfahren erlauben die Geschlechtsbestimmung allerdings bisher erst am 9. Bruttag. Denn sie brauchen eine winzige Menge der sogenannten Allantoisflüssigkeit.
Die Allantois ist die außerhalb des Körpers gelegene „Harnblase" des Hühnerembryos. Über ein kleines Loch in der Schale, kann die Flüssigkeit leicht entnommen werden. Die Allantoisflüssigkeit wird dann auf das weibliche Geschlechtshormon Östronsulfat untersucht. Am 9. Bruttag ist dann das Geschlecht des Kükens erkennbar.

Diese Methode war die erste auf dem Markt und wird bereits seit einigen Jahren genutzt. Da aber nicht sicher ist, ob die Küken am 9. Bruttag Schmerzen empfinden können, will Deutschland deshalb ab Januar 2024 das Aussortieren der „männlichen" Bruteier ab dem 7. Tag verbieten. Bis dahin bleibt aber nur das Töten der geschlüpften Küken verboten.

Die zweite Strategie ist das Bruderhahn-Konzept. Dieses Konzept ist noch nicht weit verbreitet. Bruderhähne, das sind die Brüder der Legehennen. Anstatt direkt getötet zu werden, werden sie aufgezogen. Da diese Küken keine Fleischrasse sind, brauchen sie länger, um Fleisch anzusetzen und werden auch nicht auf so viel Fleisch wie gezielt dafür gezüchtete Tiere kommen. Ökonomisch betrachtet kosten die Hähne durch die längere Aufzucht mehr Geld, dieses wird aber durch einen leicht erhöhten Eierpreis gegenfinanziert.
Die bloße Tötung des Hahns im Kükenalter wird vermieden, so dass der Hahn ungefähr ein halbes Jahr leben darf. Im Gegensatz dazu lebt ein konventionelles Masthähnchen nur gut einen Monat. Der Bruderhahn wird zusammen mit den Hennen aufgezogen und sein Fleisch bekommt eine vernünftige Verwertung. Außerdem zeigt die Erfahrung, dass es möglich ist, den Eierpreis um 0,04€ zu erhöhen, wenn garantiert werden kann, dass die Hähne aus einer Bruderhahn- Aufzucht stammen. Es hat sich erwiesen, dass die Verbraucher die leichte Erhöhung hinnehmen.
In der Regel ist das Fleisch der Bruderhähne langfaserig und zäh. Da es nun von wenigen als Delikatesse angesehen wird, geht es oft ins Tierfutter oder als Hühnerfrikassee über die Ladentheke.

Es gibt aber auch Kritik an beiden Strategien. Ist das Problem des Tötens mit der Geschlechtsbestimmung im Ei wirklich gelöst? Auch mit dieser Methode werden die Küken getötet, nur eben vor dem Schlüpfen. Bei dem Bruderhahn-Konzept wird der Tod der männlichen Küken herausgezögert. Darüber hinaus wird die Tierhaltung in den engen Hühnerfabriken generell kritisiert. Es wird auch gesagt das es an praxistauglichen technischen Lösungen mangelt. Doch auch am Verbot generell gibt es Kritik, so waren die Eintagsküken z.B. eine Nahrungsquelle für vogelfressende Tierarten wie zum Beispiel Reptilien.

Tierschutzorganisationen wie z.B. Peta behaupten, dass es sich bei dem Verbot um Verbrauchertäuschung handelt. Es werde damit geworben, das nutzlose Töten zu beenden, tatsächlich werde der Tod der Tiere nur herausgezögert und die Haltung der Tiere sei weder artgerecht noch tierschutzkonform.
Das Verbot wird insgesamt vom Deutschen Tierschutzbund als zu spät und zu schwach kritisiert.

Das Verbot bringt auch einige Risiken für den Markt und die Betriebe mit sich. Die Tierhalter könnten womöglich ihre Produktion ins Ausland verlegen, da sie ihre Preise nicht mehr halten können. Außerdem sind die Vorschriften nur für Deutschland gültig. Dann gibt es statt Regionalität nur lange Transportwege für die Tiere.

Alle Argumente sind beachtlich und haben aus ihrer jeweiligen Sicht heraus ihre Berechtigung. Ganz persönlich liegt mir jedoch das Tierwohl besonders am Herzen. Demnach ist das Ende des Kükentöten ein Anfang. Jeder Tag des Lebens zählt. Das Verbot darf nicht der letzte Schritt sein, denn es ist nicht ausreichend, um ein artgerechtes und würdevolles Leben der Nutztiere zu gewährleisten. Ich wünsche mir, dass Verbraucher*innen, Politik, Organisationen und Betriebe sich um weitere Fortschritte in diese Richtung bemühen.

 
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