Einblick in einen Integrationskurs
Kiel. Fröhliches Lachen erhellt den Klassenraum C.131 der Volkshochschule Kiel am Nachmittag des 11. November. Wie jeden Donnerstag haben sich auch heute die 13 Teilnehmenden des Integrationskurses zusammengefunden, um drei Stunden ihres Nachmittags in das Lernen der deutschen Sprache zu investieren. Viele von ihnen sind Einwanderer, vertrieben und geflüchtet aus dem eigenen Land. Doch trotz dieser schrecklichen Ereignisse, die einige der Anwesenden schon erleben mussten, ist die Stimmung im Raum ausgelassen und keinesfalls bedrückt. Voller Freude scherzen die Teilnehmenden unter- und übereinander, auch der Kursleiter sorgt für eine lockere Atmosphäre.
Hell und offen wirkt der Raum im 1. Stock der Volkshochschule, welche seit 2005 Integrationskurse anbietet. Diese Kurse finden auf sechs Niveaustufen über die ganze Sprachförderkette hinweg statt. Sie werden innerhalb des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens von A1 bis C2 unterteilt. Die vhs sei der größte Anbieter von Deutschkursen, sagt der Verbandsdirektor der Volkshochschulen in Schleswig-Holstein, Karsten Schneider. In SH sei sie in den niedrigen Niveaustufen für ungefähr zweidrittel und in den höheren für rund 40 Prozent der Angebote verantwortlich. Das variiere allerdings von Bundesland zu Bundesland.
Landesweit nimmt die Prüfungszentrale des Verbandes jährlich rund 12.000 Sprachprüfungen ab. Auch die Teilnehmenden des Integrationskurses bereiten sich auf eine solche Prüfung vor. Ein Integrationskurs besteht aus sechs Modulen, die jeweils vier 25-Stunden-Wochen lang sind. Am Ende des Integrationskurses müssen die Migranten und Migrantinnen noch einen so genannten Orientierungskurs besuchen, welcher nochmal 100 Stunden lang ist. Dafür gibt es am Ende den separaten Test, „Leben in Deutschland", worin es nicht um die Sprache geht, sondern um die Kultur, Werte und Normen in Deutschland. „Wir wünschen uns eine Repädagogisierung der Integrationskurse", sagt Schneider. Damit sei gemeint, dass es wieder mehr darum gehen müsse, die eigentlichen Inhalte zu vermitteln, als großen vorgegebenen Verwaltungsaufwand zu betreiben.
Um diese Inhalte und den Spaß am Lernen zu vermitteln, spielt der Kursleiter zu Beginn des Kurses Pantomime und Ballspiele mit den Teilnehmenden. Dabei ist die Stimmung sehr ausgelassen, alle behandeln sich respektvoll, korrigieren und helfen einander bei den verschiedenen Herausforderungen der deutschen Sprache. Für uns fühlt sich die Atmosphäre sehr familiär an, alle duzen sich und scherzen miteinander. Es wird offen geredet und keiner wird ausgeschlossen. Die meisten Teilnehmenden haben unterschiedliche Muttersprachen, deshalb unterhalten sie sich untereinander auf, noch recht wackeligem, Deutsch. Oft sorgt diese Tatsache für lustige Situationen. Besonders unterhaltsam für alle ist es immer, wenn Diskussionen darüber aufkommen, welcher Artikel vor welches Nomen gehört. Da gehen die Meinungen manchmal weit auseinander.
Alle Teilnehmenden verstehen sich sehr gut miteinander, obwohl sie vollkommen unterschiedliche Gründe haben, aus denen sie hier sind. Manche haben die Pflicht, diesen Kurs zu besuchen, da sie, was Sozialleistungen angeht, unterstützt werden. Andere sind zwar nicht verpflichtet, es wird aber dennoch von ihnen erwartet, weil Integration nur von zwei Seiten aus gelingend funktionieren kann. Nur wenige sind Selbstzahler. Wenn eine Verpflichtung des Kursbesuches besteht, werden die Kosten vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge übernommen.
Es gibt unterschiedliche Deutschlernprogramme, aber welche man davon wahrnehmen kann, ist abhängig vom aufenthaltsrechtlichen Status. Nicht jeder wird als Flüchtling anerkannt, manche werden nur geduldet, und wenn die Regierung beschließt, dass ihr Land sicher genug ist, werden sie wieder zurückgeschickt. Nur geduldete Migranten und Migrantinnen haben keinen gesetzlichen Anspruch auf die Teilnahme an einem Integrationskurs. Die Landesregierung in Schleswig-Holstein findet dies nicht gut und möchte, dass jeder ein Kursangebot bekommt, um sich unterhalten und integrieren zu können, auch vorübergehend. „Ich würde mir wünschen, dass, unabhängig vom Aufenthaltsstatus, jeder den Zugang zum Integrationskurs hätte", sagt der Verbandsdirektor Karsten Schneider. Das erhofft er sich von den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene.
Die Geflüchteten, die das Glück haben, an einem Kurs teilzunehmen, sind meistens auch sehr bemüht, sich die deutsche Sprache anzueignen. So auch die Teilnehmenden in dem von uns besuchten Kurs. Fleißig lernen sie nun nach der Spielerunde in Einzelarbeit weiter. Dazu stehen ihnen Bücher und Arbeitsblätter mit Aufgaben, die der Kursleiter stellt, und die Hilfe des Kursleiters zur Verfügung. Außerdem gibt es für kleine Pausen zwischendurch Kaffee und Gebäck am Eingang des Raumes.
Ganz leise ist es jetzt in dem großen, lichtdurchfluteten Raum der Volkshochschule Kiel. Nur noch ab und zu ist ein leises Tuscheln und Kichern zu hören. Gute Voraussetzungen, um mit Freude Deutsch zu lernen.
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