SOS - Save our Steilküste

Ann-Katrin Krämer und Leonie Wanjohi 19. November 2021 2 Kommentar(e)
Heruntergefallene Bäume und Gesteinsbrocken der Steilküsten in Schilksee und Schwedeneck, Stohl © Ann-Katrin Krämer und Leonie Wanjohi © Ann-Katrin Krämer und Leonie Wanjohi © Ann-Katrin Krämer und Leonie Wanjohi

Wir gehen gemeinsam den sandigen Steinweg der 20 Meter hohen Steilküste entlang. Während uns der eiskalte Wind um die Ohren pfeift, schmecken wir die leicht gesalzene Meeresbrise auf der Zunge. Die Sicht aufs Meer ist unbeschreiblich und bringt einen jedesmal aufs Neue zum Staunen. Doch kaum riskieren wir ein Blick auf den Grund der Küste, stockt uns der Atem. Erschrocken bleiben wir stehen, denn dort, wo die Flut bereits mehrer Meter der Küsten runter gezerrt ha, ist der Gehweg nur noch wenige Zentimeter breit.

Diese Ereignisse werden als Küstenschwund bezeichnet und sind schon seit dem Jahr 1965 ein großes Problem. Es brechen pro Jahr durchschnittlich 0,7 Meter der Steilküste ab. Insgesamt sind seitdem schon über 40 Meter der Küsten in die Tiefe gestürzt. Das heißt, dass auch wir Menschen durch die Abbrüche gefährdet sind. Vor allem diejenigen, deren Zuhause nicht weit von der Steilküste entfernt ist. Ein Beispiel dafür sind die Häuser am Fallreep in Schilksee-Süd, denn diese befinden sich nur 60 Meter von der Küste entfernt. Auch die 20 Meter hohe Treppe, die als Zugang zum Strand dient, wurde schon viermal von den Anwohnern Schilksee-Süds repariert und vom Kieler Hochbauamt abgenommen. 2015 brach sie zum letzten Mal ab und wurde seitdem nicht wieder aufgebaut. Jedoch wird auch viel von der Tierwelt zerstört, wie beispielsweise Kiels einzige Uferschwalbenkolonie und weitere wichtige Insektenarten, deren Zuhause seit Jahren die Steilküste ist.

Damit ist klar zuerkennen, mit welchen Verhältnissen Steilküstenbewohner täglich konfrontiert werden. Doch die eigentliche Ursache der immer häufiger vorkommenden Küstenbrüche sind die Sturmfluten. Denn wenn diese den Fuß der Steilküste erreichen und Sand als Geschiebelehm davon tragen, wird die Küste dadurch instabil. Es beeinflussen auch andere Faktoren den Küstenschwund. Wie zum Beispiel der voranschreitende Klimawandel. Verursacht durch den Klimawandel, steigen der Meeresspiegel und damit auch das Ausgangsniveau der Sturmfluten. Die Sturmfluten und Stürme werden immer stärker und unvorhersehbarer, sodass immer mehr von der Küste abbricht oder herunterfällt, wie zum Beispiel Bäume oder größere Gesteinsbrocken.
Wir sind uns sicher, dass es fatale Folgen haben wird, wenn in den kommenden Jahren nichts unternommen wird. Denn bricht die Steilküste einmal, ist man einer schwerwiegenden Gefahr ausgesetzt. „Ich liebe es hier an der Küste, jedoch habe ich oft Angst um unsere Kinder und passe immer auf, dass sie ausreichend Abstand zu den Klippen halten. Auch auf unseren Hund Matze muss ich öfters achten, dass er nicht so weit auf die Küste läuft", erklärt eine junge Mutter aus unserem Wohnviertel. Leider wird dadurch der einst entspannende Rückzugsort zur gefährlichen Falle sowohl für Menschen als auch für Tiere.

Mittlerweile sind wir auch am Strand unterwegs, zusammen schauen wir uns die bereits abgebrochenen Klippenteile an. Darunter erkennen wir viele Äste sowie auch verschiedene Pflanzenarten. Als wir versuchen diese vorsichtig zu umgehen, schießt uns plötzlich die Frage durch den Kopf, wer überhaupt durch die nicht aufhaltbaren Küstenbrüche gefährdet ist.

Man sollte öfters deutlich machen, dass nicht nur Küstenbewohner an ihrer Existenz zweifeln, sondern auch Landwirte damit rechnen müssen, einen Großteil ihrer Felder durch die Sturmfluten zu verlieren. „Wenn ich mir meine Verluste so in den Jahren anschaue, frage ich mich, wie weit sich die Küstenabbrüche in den Jahren noch ausbreiten werden", berichtet ein lokaler Bauer.

Doch gibt es Langzeitlösungen?
In den Jahren 2010 und 2019 sind die Einwohner in Schilksee mit Experten wie zum Beispiel dem Grünflächenamt und dem Umweltministerium in Kontakt getreten. Die Experten sahen allerdings keinen Handlungsbedarf, anders als viele Einwohner. Eine mögliche Lösung bestünde darin, den Problemen mit einfachen Molen schnell ein Ende zu setzen. Diese Idee war beispielsweise die perfekte Lösung in Schilksee-Nord, da die Küste dadurch stabil blieb und deutlich weniger abstürzte. Abschließend lässt sich sagen, dass diese eine effektive Idee ist, die man an weiteren Küsten anwenden könnte.

Als wir uns wieder auf den Rückweg machen, gehen zusammen die Holztreppe hoch. Diese ermöglicht uns noch einmal einen atemberaubenden Blick auf die Küste und über die weite See zu werfen. Es ist zugleich einschüchternd als auch inspirierend, wie lange diese Steilküsten hier schon existieren. Und wir beide hoffen, dass uns dieser Rückzugsort, der so vielen einen Lebensraum schenkt, noch viele Jahre bestehen bleibt.

 
2 Kommentar(e)
  1. Hugo
    22. November 2021

    Sehr sehr sehr gut hab noch nie so eine gute Reportage gelesen!!!
  2. Willhelm
    22. November 2021

    Sehr guter Text.

Kommentar schreiben

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert