Vom Patienten zum Künstler

Anna Bunk, 8d, Käthe-Kollwitz-Schule Kiel 15. November 2021
Susann mit ihrer "bemalten Löwin" © Susann Lewin Hier kommt Pastellkreide zum Einsatz. © Susann Lewin Gesichtsbemalung mit Susann © Susann Lewin Bunte Basteleien im Krankenzimmer © Susann Lewin

Eine Reportage über Kunsttherapie mit krebskranken Kindern

Kiel. Es ist Dienstagmorgen und Susann Lewin betritt den überfüllten Eingangsbereich des Universitätsklinikums in Kiel. Sie geht zielstrebig an Schlangen von wartenden Leuten vorbei und einen langen, tristen Gang mit vielen Türen links und rechts, die mit Nummern versehen sind, entlang. Er ist von grellen Neonröhren erhellt, das Licht spiegelt sich auf dem glatten Linoleumboden und immer wieder begegnet sie Patienten und Pflegepersonal. Es riecht nach Desinfektionsmittel, Betten werden durch den Gang in den engen Fahrstuhl geschoben, mit dem auch Susann Lewin hinauf in den 5. Stock zur Onkologie für Kinder-und Jugendliche fährt, der Bereich, in dem krebskranke Kinder-und Jugendliche behandelt werden. Als sie die Station betritt, fällt sofort die Anspannung, die sich auf dem Weg dorthin in ihr aufgebaut hat, ab. Hier ist es nun nicht mehr trist und eintönig, sondern bunt, kindlich und gemütlich eingerichtet. Naja, so gemütlich wie ein Krankenhaus eben sein kann. Da fühlt man sich gleich viel wohler. Und nach einer kurzen Besprechung mit den Kolleginnen geht Susann mit ihren Materialien unterm Arm zu ihrem ersten Patienten.

Sie arbeitet nun schon seit zwölf Jahren im UKSH, es ist das größte Klinikum in Kiel und hat mehrere verschiedene Bereiche wie auch die Onkologie für Kinder-und Jugendliche, wo Susann Kindern und Jugendlichen von zwei bis achtzehn Jahren wöchentlich Therapiestunden gibt. Sie wird von Spendengeldern der Stiftung Hoffnung bezahlt, welche die Onkologie der Klinik sehr unterstützt. Susanns Team auf der Station nennt sich Psychosoziales Team und besteht aus zwei Psychologinnen, einer Erzieherin, Sozialpedagogen und einer Kunsttherapeutin, nämlich Susann. „Wir treffen uns regelmäßig, tauschen uns aus und reden über Sachen die uns beschäftigen, denn dieser Job kann trotz seiner schönen Seiten manchmal auch ziemlich belastend sein."

Aber was ist überhaupt Kunsttherapie?
Die Kunsttherapie kommt aus Amerika und wurde dort, Mitte des 20. Jahrhunderts, entwickelt. Es ist eine Therapie, bei der man sich künstlerisch entfalten, sich selbst bei der Arbeit erleben und anschließend in seinem Werk wiedererkennen kann. Die Kunsttherapie kann dem Kind während seiner Krankheit wieder Boden unter den Füßen geben, Stabilität schaffen, die Angst nehmen und es von dem Schmerz ablenken. Außerdem soll es erleben, dass es etwas tun und lernen kann, auch wenn es gerade krank im Bett liegt. „Es ist sehr wichtig, dass die Kinder etwas Positives in der Klinik erleben und sich während ihres Aufenthalts auf etwas freuen können," so die Kunsttherapeutin.

Wenn Susann Lewin das Zimmer betritt, fangen die Kinderaugen an zu leuchten, so auch heute.
„Ich habe zu meinen Patienten oft eine vertraute Beziehung und trage sie sehr im Herzen, da ich mich während des künstlerischen Tuns viel mit ihnen unterhalte, sie sich mir anvertrauen und ich dadurch viel von ihrem Leben mitkriege und sie gut kennenlerne." Während Susann 1 -1/2 Stunden bei ihrem Patienten sitzt, wird auch viel über Themen außerhalb der Krankheit geredet wie z.B. über die Familie, denn auch für sie ist die Zeit im Krankenhaus sehr schwer. Oft sitzen die Eltern ganze Tage lang am Bett des Kindes. „Deshalb beziehe ich auch oft die Eltern mit in die Therapie ein, denn auch ihnen tut diese Auszeit sehr gut," meint Susann.

Sie gestaltet die Zeit mit den Kindern sehr abwechslungsreich und hat viele verschiedene Materialien und alles was, man eben braucht, um kreativ zu werden. Unter anderem arbeitet sie mit Acryl-, Aquarell-und Wassermalfarbe, mit Gibs, Modelliermasse, Keramik und Stempeln und Pastellkreide. Zusammen mit dem Patienten wir gebastelt, geklebt, gemalt, gestempelt, gepinselt und natürlich auch mal gelacht.

Eines der Hauptthemen bei ihr und dem Team ist, wie schaffe ich es, meine Arbeit von meinem Privatleben zu trennen? Denn das kann machmal sehr schwer sein. „Oft gibt es Dinge, die einen belasten und die man dann den ganzen Tag mit sich rumträgt." Das kann zum Beispiel auch die Verschlechterung des Zustands eines Patienten sein, das geht den meisten sehr nahe. „An manchen Tagen kommt man damit besser klar, an anderen wiederum schlechter, das hängt natürlich auch von der eigenen Konstitution ab," so Lewin. Leider kommt es machmal vor, dass ein Kind auf der Station stirbt. „Das ist dann für das ganze Team sehr traurig und belastend. Deshalb gibt es so eine Art Gedenkrunde, in der das Team darüber spricht," erklärt Susann.
Damit Angehörige, Freunde und Mitschüler sich von dem oder der Verstorbenen verabschieden können, gibt es in einem Raum Säulen, auf denen Schiffe aus Holz stehen, die fast ein wenig wie Skulpturen aussehen. Diese haben oben einen Briefschlitz, sodass man sich mit einem Brief verabschieden kann. Auch der trauernden Familie wird in dieser Zeit viel Beistand geleistet, aber trotz dieser traurigen Seite lebt Susann für ihren Beruf.

Was hat sie also dennoch dazu bewegt, Kunsttherapeutin zu werden?
„Ich wollte schon immer etwas mit Kunst machen, wusste jedoch nicht genau was. Außerdem interessierte ich mich auch für Medizin und Psychologie, hatte aber keine Ahnung, wie ich das alles unter einen Hut bringen sollte, bis ich eine Frau traf, die einen Beruf hatte, der genau diese drei Themen beinhaltete: dieser Beruf war Kunsttherapeutin. Also hab ich mich ohne viel überlegen dazu entschlossen, diesen zu studieren," erzählte Susann. Sie studierte in Ottersberg, das Studium ging 4 Jahre lang, zudem gab es viele verschiedene Richtungen, in die man studieren konnte und mehrere Zusatzausbildungen.

Susann erzählt auch, dass ihre Arbeit sie schon immer glücklich gemacht hat, da sie bei ihren Patienten wirklich erlebt, wie die Therapie ihnen hilft und ihnen wieder Stärkung gibt. „Ich habe selber mal eine Kunsttherapie gemacht und weiß noch genau, wie sehr mir das geholfen hat, auch weil man beim Malen so gut seine Gefühle ausdrücken kann. Das kann eine unglaubliche Hilfe für einen Selber sein."

Aber nicht nur in der Klinik, sondern auch zuhause ist Susann aktiv. Dort bietet sie Kunsttherapie für alle Altersgruppen an. „Um eine Kunsttherapie zu machen, muss man nicht unbedingt krank im Bett liegen, auch wenn man einfach mal Zeit für sich braucht, gestresst ist, seelische Probleme oder Probleme mit der Familie oder den Freunde hat oder wenn es einen Orts-oder einen Schulwechsel gab, ist Kunsttherapie eine gute Möglichkeit mal abzuschalten und wieder Boden unter den Füßen zu bekommen."

Als um 14 Uhr Susanns letzte Therapiestunde in der Kinder-und Jugend Klinik beendet ist, bekommt sie positives Feedback von der Mutter eines Kindes: „Während des Tuns hab ich gerade alles vergessen können, das war sehr schön." Und da weiß Susann: „Genau das will ich mit meiner Arbeit erreichen!"

 
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