„Warum bist du denn so schief?" Das war wohl die Frage, die mein Leben in gewisser Weise verändert hat. Als meine Mutter mir diese Frage Ende April 2021 stellte, wusste ich noch nicht, was mir alles bevorstand. Warum musste mich so etwas erwischen? Warum konnte ich nicht einfach gesund sein und mein Leben genießen? Was ist, wenn etwas schiefgeht? Wobei, schief war ich ja eigentlich eh schon.
All diese Gedanken gingen mir am 31.05.21 durch den Kopf. Ich lag mit meinen gerade mal 14 Jahren in meinem Bett im Krankenhaus und bekam kein einziges Auge zu. Morgen stand meine Operation an.
Als ich vor ein paar Wochen zum Arzt ging, stellte er eine Skoliose fest. Das ist eine seitliche Verkrümmung mit mindestens zehn Grad der Wirbelsäule. Etwa 5% der Bevölkerung leiden unter Skoliose, darunter hauptsächlich Mädchen. Ich war total geschockt, als ich dies erfuhr. Im Gegensatz zu dem Tag vor der Operation war das aber gar nichts. Man kann es gar nicht in Worte fassen, wie groß meine Angst war.
Seit knapp einem Monat wusste ich, dass ich operiert werden muss und nun lag ich schon im Krankenhaus. Am nächsten Morgen, dem 1. Juni, sah ich dann meine Eltern wieder und ich machte mich bereit für die Operation. Ich bekam zum Glück ein Beruhigungsmittel, ansonsten hätte ich die Aufregung nicht gut aushalten können. Danach ging alles total schnell, ich bekam kaum noch etwas mit und schon ging die Operation los.
Die Ärzte legen bei einer solchen Operation Schrauben zwischen die einzelnen Wirbel. Oben drauf haben die Schrauben einen Schlitz, sodass dort eine Stange eingelegt werden kann. Bei mir wurden 24 Schrauben und 2 Stangen implantiert. Die Wirbelsäule wurde also zum größten Teil versteift und meine Verkrümmungen haben sich von 45 Grad und 53 Grad auf 8 Grad und 9 Grad verbessert. Ich wurde die ganze Zeit mit einem System namens Neuromonitoring überwacht. So wird das Rückenmark kontrolliert und Lähmungen werden vorgebeugt. Am Ende wird noch ein Schmerzkatheter in den Wirbelkanal gelegt, über den später dann direkt Schmerzmittel zugeführt werden können.
Die etwa vierstündige Operation war soweit zum Glück super verlaufen und ich kam auf die Intensivstation. An das Aufwachen und allgemein an den Tag kann ich mich aufgrund der Narkose kaum erinnern. Allerdings weiß ich, dass ich starke Schmerzen und Übelkeit hatte.
Am nächsten Tag konnte ich dann auf die normale Station. Es war der schlimmste Tag von allen. Die Narkose hatte nachgelassen und ich bekam alles wieder klar und deutlich mit. Ich hatte sehr, sehr starke Schmerzen und konnte nicht mal meine Arme richtig bewegen. Glücklicherweise kam ich aber in ein Zimmer mit einem Mädchen in meinem Alter, das einen Tag vor mir auch an Skoliose operiert wurde. Wir verstanden uns direkt super und wenn einer von uns verzweifelt war oder starke Schmerzen hatte, bauten wir uns gegenseitig wieder auf.
Nach so einer Operation wird man schnell wieder mobilisiert. Schon am ersten Tag nach der Operation darf man meistens schon wieder sitzen und stehen. In den nächsten Tagen macht man dann immer mehr Fortschritte. Laufen muss man zu Anfang mit einem Gehwagen und man braucht bei fast allem Hilfe. Man konnte sich noch nicht mal allein im Bett umdrehen, dafür mussten immer zwei Krankenschwestern kommen. Sowas zog einen schon irgendwie runter, aber es wurde immer und immer besser, sodass ich dann die Nachricht bekam, dass ich am 08. Juni wieder nach Hause darf. Ich war froh, dass endlich ein Ende von dieser schrecklichen Zeit im Krankenhaus in Sicht war und freute mich tierisch.
Endlich kamen wir nach einer zweistündigen Fahrt zu Hause an. Die erste Zeit war selbst in meiner gewohnten Umgebung schwer. Ich hatte immer noch starke Schmerzen und musste mich erstmal einfinden. Teilweise hatte ich echt keine Motivation mehr und es wurde manchmal alles zu viel. Meine Familie und Freunde unterstützten mich aber, wo sie konnten, sodass es immer mehr bergauf ging.
Heute, knapp ein halbes Jahr später kann ich sagen, dass diese Zeit total schnell vorbei ging. Ich bin im Alltag kaum noch eingeschränkt und in sechs Monaten darf ich wieder alles machen.
Grundsätzlich muss man aber vor allem die erste Zeit nach der Operation darauf achten, dass man sich bewegt, wie es einem die Physiotherapeuten zeigen und generell sehr vorsichtig ist. Eine falsche Bewegung kann in der ersten Zeit schon sehr starke Schmerzen bereiten. Außerdem darf man erst ein Jahr nach der Operation wieder richtig Sport machen, da man immer eine Sturzgefahr beim Sport eingehen würde. Also sollte man zum Beispiel in dieser Zeit selbst vom Fahrradfahren absehen. Die Freizeitaktivitäten fehlen einem schon, aber man gewöhnt sich auf jeden Fall daran, genauso wie daran, dass man nie wieder so beweglich sein wird wie vorher.
Letztendlich bin ich froh, dass ich jetzt alles hinter mir habe und kein Korsett für mehrere Jahre zu tragen brauche, was auch mit Schmerzen verbunden gewesen wäre. Bei mir wäre es keine Alternative gewesen, aber die meisten Betroffenen werden mit einem Korsett und Physiotherapie behandelt. Sie bekommen aber oft trotz dieser Behandlung im Alter gesundheitliche Probleme, die mir jetzt zum Glück erspart bleiben.
Ich kann mit voller Überzeugung sagen, dass ich nichts bereue und man diese Zeit, auch wenn sie schwer ist, problemlos schaffen kann. Ich bin unfassbar dankbar, für die Ärzte in Neustadt und die ganze Unterstützung meiner Familie und meiner Freunde.
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