Eine duftende Einladung

Gunnar Levermann, Schönberg 16. Dezember 2021

Nun stehe ich hier am Hintereingang der Bäckerei, schaue neugierig durch einen kleinen geöffneten Türspalt und warte. Überall in der Backstube eilen die Mitarbeiter hin und her, es wirkt wie ein großer Ameisenhaufen. Jeder Handgriff sitzt, alle wissen, was zu tun ist. Warme Luft strömt durch den kleinen Türspalt und ein aromatischer Duft lässt meinen Magen knurren. Hoffentlich hat es niemand gehört. „Hallo, junger Mann", ertönt es plötzlich hinter mir, „du möchtest beim Backen unserer Weihnachtsleckereien zuschauen? Na, dann rein in die gute Stube!"

Heute bin ich bei unserem Bio-Bäcker in der Probstei. Herr Knickrehm, der Geschäftsführer, führt mich herum und erklärt: „Das Getreide für unsere Bioland-Backwaren wächst gleich um die Ecke, das Korn wird in unserer hofeigenen Mühle vermahlen und in unserer Backstube werden die Vollkornmehle mit Sorgfalt verarbeitet und veredelt. Schneller gelangt vermutlich kein reifes Korn zu seiner Weiterverarbeitung auf den Backtisch."

Angefangen hat die Bio-Bäckerei 1987. Gebacken wurde im Wohnhaus, mit Getreide aus ökologischem Anbau vom eigenen Hof, dem Hof Göttsch. Das Brot verkaufte sich erfolgreich, deshalb wurde mit viel Unternehmergeist, Weitblick und handwerklicher Fähigkeit aus der Bio-Landwirtschaft vom Hof Göttsch und der Backfreude von Frau Göttsch ein Bäckereibetrieb. In dem Betrieb findet der gesamte Prozess unter einem Dach statt, vom Getreideanbau über die Ernte und das Mahlen bis hin zum Brotbacken und dem eigenen Verkauf.
Die Backwaren werden hauptsächlich im Hofladen, auf Wochenmärkten und in einigen kleinen Filialen der Kundschaft angeboten.

Wir bleiben vor einer riesigen Edelstahl-Rührschüssel stehen, in der warme Milch gerührt wird. Die Milch kommt zu 100% von schleswig-holsteinischen Kühen aus Bioland-Haltung vom Hamfelder Hof. Ich spüre das Rühren des Spiralkneters, der Boden in der Backstube vibriert. In dieser Rührschüssel wird nun nach eigenem Rezept der Butterstollen angerührt. Direkt gegenüber mischt ein Bäcker Mehl mit Rosinen und etwas Zucker, es staubt ein wenig. Daneben stehen Schüsseln, aus denen es wunderbar duftet. Das sind die geheimen Zutaten, die den wohligen weihnachtlichen Geschmack bringen. Nach und nach werden die Mehlmischung, dicke Butterklumpen und cremiger Honig in die Rührschüssel gegeben. Alle Zutaten stammen aus ökologischem Landbau mit Bioland-Qualität. Der Spiralkneter knetet unaufhörlich einen Rührteig, von dem ich am liebsten naschen möchte. Dieser Teig wird nun in einen großen Trichter gefüllt, den "Abwieger", aus dem am Ende portionierte Brotrohlinge herauskommen. Mitarbeiter wälzen die Brotrohlinge in einer Wanne voller Mandelblättchen und legen sie in Brotförmchen. Sind alle Förmchen gefüllt, kommen sie in den Ofen zum Backen. Durch die ausströmende Wärme des Ofens entfaltet sich jetzt erst richtig der Weihnachtsduft in der Backstube.

Diese ist nicht groß und sie grenzt unmittelbar an den Verkaufsraum, der nur durch eine Glaswand getrennt ist. So dringt der Duft aus der Backstube auch mit in den Verkaufsraum. Für die Kundschaft soll somit die Backstube transparent sein. Der Blick geht über die gesamte Backstube, bis hin zu den Mehlsilos der hofeigenen Mühle.
In der Rührschüssel rührt währenddessen schon die nächste Leckerei: dunkelbrauner cremiger Sirup, vermischt mit feinsten Gewürzen. Es fehlte nur noch leise Weihnachtsmusik und die Stimmung wäre perfekt. Dieser klebrige und feste Teig wird danach auf eine Ausrollmaschine gelegt, die den Teig ganz dünn ausrollt. Mit Hilfe einer ungefähr 50 Zentimeter langen Teigrolle wickelt ein Mitarbeiter den Teig geschickt auf und transportiert ihn so auf einen großen Backtisch. Wer jetzt denkt, Plätzchen würden mit Ausstechformen, so wie man es von zuhause kennt, ausgestochen, liegt falsch. Das Ausstechen der Plätzchen erfolgt in dieser Bäckerei auf eine andere Art und Weise. Ein etwa 40 Zentimeter breiter Zickzackschneider schneidet rechteckige Plätzchen mit Zickzack-Muster aus. „Dies ist rationeller. So ergibt sich am Ende mit traditionellen Zutaten, fundierter Bäckererfahrung und sorgfältiger Handarbeit des Teams sowie modernster Technik ein knuspriger Biss mit feinwürzigem Geschmack", erklärt mir der Bäcker stolz und zeigt lächelnd auf die fertig gebackenen braunen Plätzchen im Verkauf.

Mittlerweile ist der Butterstollen fertig gebacken, er wird direkt nach dem Backen aus den Förmchen genommen und in geschmolzene Butter getaucht. Dann wird er auf ein Abtropfgitter gelegt und mit Honig bestrichen. Jetzt wartet er darauf, in den Verkauf geschoben zu werden.
In den vorgewärmten Ofen kommen Zug um Zug die braunen Plätzchen. Es geht alles ganz schnell und reibungslos ineinander über.

Von Weihnachtsstress keine Spur, alles Routine. Die Mitarbeiter plaudern auch fröhlich nebenbei. Durch ständig wechselnde saisonale Produkte kommt es zu keiner hohen Belastung, sondern immer zu einer gleichbleibenden Routine. Es gibt das „Immer-da-Backwarensortiment". Auch deshalb bleibt der Umsatz stabil und die Nachfrage ist gleichbleibend. Das ist wichtig, um die Qualität zu halten, erfahre ich. Die Probsteier Bio-Bäckerei hat nicht nur das Biolandsiegel, sondern auch die Auszeichnung „feinheimisch".
Der Umsatz hängt nicht von der Jahreszeit ab. Nach Aussage von Herrn Knickrehm wurde vielmehr beobachtet, dass Corona das Bewusstsein für regionale Produkte gestärkt hat. Die Menschen kaufen lieber regional, statt industriell und von „irgendwoher".
„Und seit es E-Bikes gibt, kommen die Gäste auch bei Windstärke sieben zum Kuchenessen", ruft Frau Möller uns vom Verkaufstresen zu, mit einem Schmunzeln im Gesicht. Nebenbei reicht mir Herr Knickrehm eine Tüte mit duftenden Weihnachtsleckereien und verabschiedet sich mit den Worten: „Manchmal ist es richtig gut, wenn alles in der Region bleibt. Bei uns in der Probsteier Bio-Bäckerei ist genau das der Fall. So machen wir das seit 1987 – und so bleibt es auch!"

Über den Verkaufsraum, vorbei an den Backwaren, verlasse ich die Bäckerei und vernasche die ersten Plätzchen. Draußen ist es schon dunkel geworden. Überall ist es weihnachtlich geschmückt. Jetzt freue ich mich auf Weihnachten. Mein Blick geht über die leeren Felder und Wiesen. Vielleicht stand hier das Getreide vom Bäcker. Ist das Mehl auch in meinem Plätzchen? Der Gedanke gefällt mir. Es ist gut, zu wissen, dass Menschen das Bewusstsein für nachhaltige Produkte aus meiner Region haben. Hoffentlich bleibt es auch so!

 
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