Alles Käse in Holtsee

Anna Simonides 17. November 2022 2 Kommentar(e)
© Anna Simonides

Alles Käse in Holtsee

Am Stück oder in Scheiben, mild, würzig oder pikant: Käse ist eines der beliebtesten Lebensmittel in Deutschland. Von Mozarella zu Bergkäse aus Schafs -, Ziegen - oder Kuhmilch – nicht viele Lebensmittel bieten so eine Vielfalt wie Käse. Doch wie wird Käse eigentlich hergestellt?
Wie lange dauert es, bis die Milch als Käse im Supermarkt zu finden ist?
Und wo liegen die Unterschiede bei Preis, Sorte und Geschmack?
All das erfahre ich bei einem Besuch in der Holtseer Landkäserei.

Am Montag den 14.11 treffe ich mich mit Nadine Hertwig, eine von 130 Mitarbeiter*innen der Käserei in Holtsee. Um 15:00 Uhr betrete ich das Käsereigelände und sofort steigt mir der Duft von diversen Käsesorten in die Nase. Die Käserei ist sehr ländlich gelegen und die Umgebung ist sehr ruhig. Die „Käsekiste", welche direkt gegenüber von der Käserei liegt, ist ziemlich gut besucht und man hört alle paar Sekunden die Eingangstür auf und zugehen. Doch der hohe Andrang ist auch berechtigt, denn das Holtseer Käseunternehmen ist in Schleswig-Holstein das einzige, welches noch traditionellen handgemachten Käse herstellt. Ich betrete zunächst das Verwaltungsgebäude, um Nadine Hertwig zu treffen. An den Wänden hängen überall Bilder von Käsesorten und die Wände sind passend gelb gestrichen. Hertwig begrüßt mich und klärt mich über den Rundgang durch die Produktion auf. Die Büros sind nett eingerichtet und die Mitarbeiter sind auch sehr freundlich. Auf den ersten Blick überzeugt mich die Verwaltung mit ihrer netten und sympathischen Atmosphäre. Als ich die Einverständniserklärung unterschrieben und Schmuck und Handy abgegeben habe, begeben wir uns zum ersten Abschnitt der Käseproduktion, der Milchanlieferungsstelle.  

Hier wird die noch unverarbeitete Milch von naheliegenden Höfen angeliefert. „Bevor jedoch die Milch angenommen wird, muss jeder Milchlieferant von seine Milchladung eine Probe abgeben, die im ersten Produktionsgebäude untersucht und getestet wird. Erst wenn alle PH-Werte in Ordnung sind und keine Bakterien oder Keime in der Milch sind, verlässt die Probe das Chemielabor" klärt Hertwig mich auf. Sie geht jedoch für weitere Untersuchungen in die Analyse „wozu der Raum direkt daneben dient" . Ist auch da alles im grünen Bereich, darf die Milch mittels Schläuchen in die großen Milchtanks gefüllt werden, die direkt ins Innere der Molkerei führen. Bevor wir diese betreten dürfen, müssen wir uns sterilisieren und Schutzkleidung anziehen. In voller Montur schleusen wir uns durch die Sicherheitstüren und gelangen in die Molkerei, den zweiten Abschnitt der Käseherstellung.

Hier befinden sich riesige Milchtanks und Rohrsysteme, die für die Reinigung der Milch zuständig sind. Es riecht streng nach warmer Milch „was daran liegt, dass die Milch hier nach der Reinigung entrahmt und pasteurisiert wird" klärt Hertwig mich auf. Das wird durch mehrere Milchzentrifugen vollbracht, die die Milch zuerst erhitzen (pasteurisieren) und anschließend entrahmen „das heißt, die Milch wird in Magermilch und Rahm (Sahne) gespalten. So trennen sich Fett, also der Rahm, von der Milch, der Magermilch". Anschließend wird der individuelle Fettgehalt (Rahm) der Milch wieder hinzugefügt. Ist die Milch vollständig verarbeitet, gelangt sie durch die Rohre endlich in die Käserei und wir können die Molkerei und den ohrenbetäubenden Lärm, der durch die Maschinen entstanden ist, hinter uns lassen.

Auf dem Weg zur Käserei erzählt Hertwig mir etwas über die Geschichte der Käserei, die „1938 gegründet wurde und seitdem im Besitz einer Gemeinschaft aus Investoren und mehreren Geschäftsführern ist. 1899 wurde bereits mit der Milchverarbeitung begonnen, später spezialisierte man sich dann aber erst auf den Käse. Seitdem produzieren wir rund 20 verschiedene Sorten von Schnitt- und Hartkäse, natur- und foliengereift. Begonnen hat die Herstellung mit dem Tilsiter in 1940, reicht heute jedoch schon von Knööv, Bernsteiner, Geest und Bütt über Cheddar, Holtseer Jung, Feuer und Löcker bis hin zum guten alten Tilsiter. Alle in verschiedensten Variationen" erzählt Hertwig.

Angekommen in der Käserei, müssen wir uns wieder sterilisieren und umziehen, bevor wir zum dritten Schritt der Käseproduktion gelangen.
Sobald man die Türen öffnet, steigt wieder der Duft des frischen Käses auf, man riecht jedoch auch die Desinfektionsmittel, die hier oberste Priorität haben, denn „ohne Reinheit kein Käse" erklärt mir ein Mitarbeiter. In diesem Gebäude wird die verarbeitete Milch über die Rohranlagen der Molkerei in drei große Käsefertiger gefüllt.

Dort werden der Milch Milchsäurebakterien und ein Laabgemisch beigefügt, die dafür sorgen, dass die Milch sauer wird. Dadurch trennen sich die festen Bestandteile der Milch, also Eiweiße und Fette etc. von der sogenannten „Molke" erklärt mir Hertwig. Durch diesen Vorgang entsteht nach und nach eine dickflüssige Masse die man Käsebruch nennt. Man vergleicht die Konsistenz zu diesem Zeitpunkt mit „Körnigem Frischkäse" weiht mich Hertwig ein.

Hat die Masse die richtige Beschaffenheit für die Käsesorte, die entstehen soll, fließt er über die Rohre, die unten an den Käsefertigern anschließen, aus den Tanks heraus. Hertwig erklärt „Unter den Rohröffnungen stehen dann wir und füllen die dickflüssige Masse gleichmäßig in die Formen".
Die Holtseer Käserei ist eine der wenigen, die all das mit Handarbeit vollbringt, was natürlich sehr zeitaufwendig ist. „Es macht aber auch riesig Spaß" argumentiert Hertwig. Wenn der ganze Käsebruch verteilt ist, presst er sich mit seinem Eigengewicht in die Form, so tritt die restliche Molke von alleine aus und der Käse muss nur regelmäßig gewendet werden. Ein Mitarbeiter zeigt mir die verschiedenen Formen, die aussehen wie feinlöchrige Siebe. „Wir produzieren Käse in Broten, Schläuchen, Laiben und Quadern" so Hertwig. Zusätzlich wird hier auch noch ein 15 kg Käse hergestellt, der allerdings maschinell weiterverarbeitet wird. Nach ein Paar Stunden kann der Käse dann endlich aus den Formen geholt werden. „Er ist jetzt stabil genug" erklärt Hertwig. Im nächsten Schritt wird der Käse in eine Salzlake gelegt.

Hier ruht der Käse zwischen 1-2 Stunden bis hin zu 5-6 Tagen. Ein Geheimtipp von Hertwig: „Je wärmer erhitzt, je länger gelagert, je kräftiger gepresst, desto härter wird der Käse". Das Salzwasser sorgt dafür, dass sich eine Käserinde bildet und keine Bakterien an den Käse herankommen. Gelagert wird er dann in Metall- und Plastikkisten. Der Foliengereifte muss allerdings nicht lagern, sondern darf direkt verpackt werden.

Wenn der Käse aus der Lake herauskommt, wird er zum ersten Mal mit einer Schutzschicht aus Salz und Rotschmierkulturen eingeschmiert „damit sich die Rinde weiterbildet" klärt Hertwig mich auf.

Jetzt geht es zum wichtigsten Schritt, dem Reifekeller.
Dafür verlassen wir wieder einmal das Gebäude und machen uns auf den Weg. Hertwig erzählt mir noch einige interessante Sachen: z.B warum der Käse gelb ist - „das liegt an dem Pflanzenstoff Beta-Carotin, der von den Kühen aufgenommen wird, der den Käse gelb färbt". Hertwig erzählt „bei uns werden jährlich circa 95 Millionen Liter Milch verarbeitet". Das erschien mir im ersten Moment extrem viel, doch „für einen 5 kg schweren Käse, benötigen wir auch 50 Liter Milch" begründet Hertwig.

Als wir vor dem Reifekeller stehen, ist meine Erwartung für mich noch nicht erfüllt, denn es sieht genauso aus, wie alle anderen Gebäude hier. Erst als wir eine lange Treppe in den Keller hinunter gehen, ändert sich das. Mit jeder Stufe wird der Geruch von tausend verschiedenen Käsesorten immer intensiver. Als wir „das Herz des Käses" so Hertwig betreten, bin ich beeindruckt von etlichen Holzregalen, die in Reihen prallgefüllt mit Käselaiben stehen. „ Hier reifen die verschiedensten Sorten von Schnitt- und Hartkäse von 4 Wochen bis hinzu 9 Monaten" gibt Hertwig bekannt.
Als Hertwig mir erzählt, dass es noch 2 weitere Keller gibt und jeder Käse hier täglich hervorgeholt, beschmiert und gewendet werden muss, verstehe ich erst, warum eine Käserei so viele Mitarbeiter braucht. Ich erfahre noch, warum ein Käse überhaupt Löcher hat „das liegt an den Bakterien, die die Milchsäure in Kohlendioxid umwandeln, welches aus dem Käse nicht entweicht und die Löcher verursacht.

Nach dem Reifen wird der Käse verpackt und in eine riesige Lagerhalle gebracht. Hier lagern sämtliche Käsesorten, sortiert nach verschiedensten Verpackungen und Formen in meterhohen Regalen. „Der Käse wird dann entweder in die Supermärkte geliefert oder von den Einzelhändlern abgeholt. Wir verkaufen weltweit und haben einen Jahresumsatz von 52 Millionen Euro" erzählt mir Hertwig, bevor wir die Käserei verlassen und uns zum Verwaltungsgebäude zurückbegeben.
Dort bekomme ich meine Wertsachen zurück und Frau Hertwig begleitet mich bis zur Tür. Ich bedanke mich herzlich für das tolle Interview und den Rundgang durch die Käserei und verlasse zufrieden auch dieses Gebäude.

 

 

 

 

 
2 Kommentar(e)
  1. Marike
    18. November 2022

    Hey, sehr schöner Artikel mit einem sehr interessanten Thema. Vorallem haben mir die Szenischen Beschreibungen gefallen
  2. Simone Seifert
    25. November 2022

    Hallo Anna, dein Artikel ist sehr informativ. Du hast klasse geschrieben. Der/die Leser/Leserin erfährt, wie viel Arbeit in der Herstellung dieses Produktes steckt. Ich hoffe, du hast eine kleine Kostprobe mit nach Hause bekommen.

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