Meine Generation, wir sind die seltsame Generation, unzuverlässig, faul, nicht mehr belastbar, ständig krank, jammern wegen jeder Kleinigkeit, leistungsschwach, psychisch krank und alle queer. – So denken Sie.
Meine Generation, wir sind die offene Generation, achten auf unsere Gesundheit, auch auf die psychische, machen den Mund auf, wenn uns etwas nicht passt, reden offen über unsere Sexualität und verstecken sie nicht mehr. Meine Generation hat drei Jahre unser Jugend von Zuhause, an uns vorbeiziehen sehen. Statt auf Partys zu gehen, gehen wir auf Demonstrationen. Wir sind die Generation, welche am Arsch ist, wenn
sie nichts ändert. Wir sind die Generation, welche die Fehler von Ihnen später auf unseren Rücken tragen müssen. Wir wissen nicht, ob das Geld noch was wert ist, welches wir jetzt sparen. Wir werden auf der kaputten Welt leben. Wir sind die, die Sie finanzieren, nur um am Ende zu verarmen und bis 80 zu arbeiten.
Ich könnte jetzt sagen, dass Sie die alten Generationen sind. Aber das wäre gelogen. Sie sind überall. Sie sind unter uns, getarnt als unsere Generation.
Sie können jeder sein, in jeder Generation können Sie sein, jedes Geschlecht und jedes Alter haben. Jeder gehörte schon einmal zu Ihnen und wird wieder zu ihnen gehören.
Sobald du Vorurteile hast, egoistisch handelst oder dich vor Neuem verschließt, bist du einer von Ihnen. Ein Boomer, eine Karen, ein alter, über das ach-so-schlechte Leben meckernder Rentner.
Genau dann bist du einer von Ihnen.
Auch ich bin einer von Ihnen.
Das, was ich damit meine, ist, dass alle diese Szene kennen: Eine Freundesgruppe steht auf dem Schulhof und beobachtet die neuen Schüler aus der 5. Klasse. Sie spielen irgendein Spiel und nehmen dabei keine Rücksicht auf die Umgebung. Die Freundesgruppe ist sich einig, die Kinder heutzutage haben einfach kein Respekt mehr! – Dabei vergessen sie komplett, dass sie selbSt. in diesem Alter genauso gedankenlos waren.
Jeder kennt so eine ähnliche Situation. Jeder hat so etwas schon erlebt oder so etwas gedacht.
Jeder ist Sie.
Auch ich habe solche Situationen erlebt und war eine von Ihnen, aber ich habe auch solche Situationen miterlebt, in denen ich ein Teil der seltsamen Generation War, die belächelt wurde.
Von einer Situation möchte ich euch erzählen:
Eine Familie saß beim Essen am Tisch. Die Stimmung war entspannt. Die große Schwester regte sich gerade über eine Arbeitskollegin auf, welche nie bei der Arbeit erscheint und immer offensichtlich die Arbeit schwänzt. Der Rest der Familie amüsierte sich darüber, alles war gut, das Essen schmeckte, jeder war glücklich. „Aber das ist ja sowieso so ein Generationsding! Diese Generation, kann einfach nicht mehr arbeiten!! Ständig krank und jammert wegen jeder Kleinigkeit." Sie drehte sich zu ihrem jüngeren Bruder:„Du bist da wirklich noch die einzige Ausnahme, die ich kenne!"
„Ich ziehe auch das durch, was ich angefangen habe", sagt die kleinste Schwester. Die älteste Schwester zog eine Augenbraue hoch: „Naja, aber als du krank warst, bei deinen letzten Sommerjob warst du auch länger zuhause als du musstest."
Sie lachte, während die kleinste still blieb. Der Appetit war ihr vergangen.
Sie gehörte zu Ihnen.
Eines schlaflosen Abends habe ich zum ersten Mal realisiert, wie falsch die Vorurteile sind, welche wir uns ständig über andere bilden und wie verletzend es sein kann, zu der kritisierten Generation zu gehören und nicht zu Ihnen.
Später am Abend habe ich ein ziemlich passendes Zitat von dem Künstler Salvador Dali gefunden:
„Der größte Fehler, den die Jugend von heute hat, ist der, dass man nicht mehr zu ihr gehört."
Im Grunde spricht er davon, dass das Problem der Jugend ist, dass man einander nicht mehr versteht. Die Jugend von heute reift unfassbar schnell, durch Social Media und planetarische Ereignisse. Die Menschen, welche jedoch nicht mitkommen, bei diesem schnellen Erwachsenwerden, werden von der reiferen Jugend nicht mehr verstanden. Sie sind peinlich für sie und wollen nicht mit ihnen in Verbindung gesetzt werden.
Wir sind uns selbst peinlich geworden.
Meine Schwester ist in derselben Generation wie ich, aber sobald ich etwas von Tiktok erzähle, ist es peinlich, da es ein Trend aus meiner Generation ist. Aus meiner Zeit. Auch wenn sie ihm nächsten Moment dann unserer Mom ein Reel zeigt.
Mittlerweile finde ich, dass dieser Begriff „Generation" eher einer Mauer gleicht, als eine Bezeichnung für Menschengruppen, welche in ein bestimmten Zeiträume geboren wurden und die gleichen geschichtlichen und kulturellen Ereignisse erlebt haben.
Generation ist etwas, was uns in bestimmten Gruppen einteilt. Generation Y „darf" kein Tiktok benutzen, einfach weil das die peinliche Tanz App ist. – Dass diese Generation dafür auf der Straße vor völlig Fremden gesungen und getanzt hat, tut nichts zur Sache.
Unsere Generation, wird als so manches betitelt, peinlich und seltsam sind nur zwei Sachen davon. Aber ganz ehrlich, wir sind halt schon eine sehr eigenartige, dass wir über unsere Gefühle und Sexualität so offen sprechen. – excuse me, wir haben 2022, queer sein ist keine Straftat oder ein Tabuthema!
Trotzdem sind wir doch heutzutage alle depressiv oder haben irgendein anderes psychisches Leiden. – Naja, schau dir unsere Zukunft an, wir haben allen Grund zum Wein-en (trinken). Wenigstens achten wir auf uns und trauen uns Hilfe zu suchen – oder unsere beste Freundin.
Aber heutzutage sind nicht nur Generationen mit einer Mauer getrennt. Auch eine einfaches Jahr kann aus Sicht der älteren sehr viel ausmachen. – Da sie in diesem Jahr ja so viel mehr Erfahrung und Weisheit ansammeln. Besonders gut kann man dieses Phänomen bei Geschwisterkindern erkennen. Es ist ein irrwitziger Gedanke, dass eines der älteren Geschwister etwas von den jüngsten Geschwistern lernen könnte. Je weiter der Altersabstand auseinander geht, um so irrwitziger wird es. Das Interessante ist dabei, das, wenn jedoch der Altersabstand eine bestimme Größe erreicht hat, das Gegenteil passiert! – Ob es daran liegen könnte, dass nun das ältere Geschwisterchen wirklich reif und erwachsen ist, darüber sind sich Forscher noch unschlüssig. Aber ein Muster wurde erkannt.
Im Grunde erbauen wir uns damit eine eigene Mauer und versperren uns den Weg für neue Möglichkeiten und neue Erfahrungen, die wir machen könnten, uns damit weiterbilden können.
Für mich kam jetzt die Frage auf, wie ich verhindern kann, zu werden wie Sie und vielleicht ist diese Frage auch in Ihrem Kopf herumgegeistert. Ich denke, darauf gibt es keine richtige Antwort, es gibt auch kein richtig oder falsch. Jeder muss für sich einen Weg finden, seinen Weg zu finden.
In meinen Fall versuche ich nun, noch offener zu sein, auch wenn es mir unmöglich scheint.
Es ist wichtig, dass wir nicht wie Sie werden, uns nicht verschließen vor Neuem, nur weil es nicht zu unsererGeneration gehört, nur weil es von einer anderen Generation gefeiert wird. Wenn wir uns vor Neuem verschließen, sind wir nicht besser als Sie. – Dann sind wir Sie, nur in unsere Generation.
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