Die Seenotretter, jeder Einsatz zählt!

Stine Blöcker, 9c, Gymnasium Altenholz 17. November 2022
Die Rettungsöffnung an der rechten Seite. © Privat Die Rettungsrakete mit Enterhaken © Privat Das Seenotrettungsboot Gerhard Elsner © Privat Marek Pryzbilla, Vormann der Seenotretter in Kiel, Schilksee © 50 Jahre Seenotrettungsstation Schilksee

Als ich das Büro der Seenotretter in Kiel-Schilksee betrete, riecht es nach Kaffee. Es sieht aus wie ein normales Büro mit Computern, einem Tisch mit Kaffeetassen, einem Regal und Stühlen. Nur eine Person ist da. Ich klopfe an den Türrahmen und mache mich bemerkbar. Die Person stellt sich als Marek Pryzbilla vor, Vormann der Seenotretter, und wir fangen an, uns über diese Tätigkeit zu unterhalten.

Denn wenn man an Seenotretter denkt, denken alle an etwas anderes. Doch was machen Seenotretter wirklich und wie sieht ein Tag bei den Seenotrettern aus?

Gegründet wurden sie zwischen 1861-1865 in Kiel. Der Standort Schilksee wurde aber erst vor 50 Jahren im Zuge des Baus des Olympiazentrums für die Olympischen Spiele 1972 geschaffen. Jedes Land ist verpflichtet, Seenotretter zu haben. Allerdings müssen sich Marek und seine Kollegen alleine aus Spenden finanzieren. „Wir sind ehrenamtlich tätig und werden somit nicht vom Staat bezahlt", erläutert Marek. „Unsere Aufgabe ist es, Menschen im Meer ausfindig zu machen und sie anschließend zu bergen, egal, welches Wetter es draußen ist.", erklärt Marek.

Bei einem Notruf in der Zentrale werden alle Kollegen angerufen und müssen antworten, wie schnell sie bei der Zentrale sein können. Sie können sich dort umziehen oder kommen schon in Einsatzkleidung, die aus Sicherheitsstiefeln, Hose, T-Shirt, Helm und, wenn es kalt ist, einer Strickjacke besteht. Schwimmwesten sowie Überlebensanzüge sind an Bord. Der erste Seenotretter vor Ort geht zum Boot und macht es startklar. Er wartet auf 2-3 weitere Personen, da mindestens drei Seenotretter für einen Einsatz an Bord sein müssen. Per Funkgerät wird ihnen die Unfallstelle mitgeteilt. Die übrigen Seenotretter warten in der Zentrale, um von dort zu unterstützen.

Aus dem Augenwinkel fällt mir eine Karte auf, die den oberen Teil von Deutschland bis hoch nach Dänemark zeigt. Die Karte hilft den Seenotrettern grob zu unterteilen, wo die nächste Station ist und somit auch, wer als nächstgelegene Station in Frage kommen könnte. Denn die Seenotretterstationen haben keine festen Gebiete, sondern es richtet sich immer danach, wer am schnellsten den Einsatzort erreichen kann.
Die Zentrale ist immer besetzt. Es gibt keine Schichtpläne, vielmehr sprechen sich die Seenotretter untereinander ab, wer wann kommt, um die Zentrale zu besetzen. Kontrollfahrten finden 1-3 mal in der Woche statt. Um zu trainieren, treffen sich die Seenotretter regelmäßig zum Training auf dem Meer, manchmal auch mit anderen Stationen. Wenn man sein eigenes Boot hat, kann man auch privat an den Übungen teilnehmen.

 Es ist Pflicht, eine Erste-Hilfe-Ausbildung zu haben und diese jedes Jahr aufzufrischen. Ebenfalls muss man eine Ausbildung absolvieren, welche jedoch auf allen Stationen gleich ist. Nicht erforderlich ist, in der Nähe der Station zu wohnen, bei der man arbeiten möchte. Um allerdings eine schnelle Einsatzmöglichkeit zu gewährleisten, ist dies von Vorteil. Ein Seenotretter kann bei allen Stationen helfen, nicht nur bei der „Heimatstation".

 Wir machen uns auf den Weg zum Boot, welches am Ende des Stegs liegt, damit man direkt rausfahren kann. Es ist ein kleines Boot, nicht so schnell, aber mit Unmengen an Kraft ausgestattet. Selbst wiegt es nur 8 Tonnen, kann aber ein Schiff mit 75 Tonnen locker ziehen. Es hat eine rote Reling und auf dem weißen Lack ist in roter Schrift „Seenotretter" zu lesen. Marek zeigt mir die wichtigsten Dinge außen am Boot. Es gibt einen Suchscheinwerfer, der sich in alle Himmelsrichtungen bewegen lässt und einen Haken, der sich über eine Schiene nach links und rechts bewegen kann, um andere Boote abzuschleppen. Das gibt es so nur in Deutschland. Etwas noch Außergewöhnlicheres ist eine Art Tür an der rechten Seite. Es handelt sich um eine Rettungsöffnung, die es den Seenotrettern ermöglicht, Personen von der Wasseroberfläche direkt ins Boot zu bringen, ohne dass man die gerettete Person über die Reling hieven muss. Für diese schlaue Idee hat es schon eine Auszeichnung gegeben. Auch befinden sich 4 Löcher im Boden.„So kann das Wasser, welches durch das Öffnen der Rettungsluke ins Innere des Bootes gelangt, wieder abfließen", erklärt Marek.

 In den Innenraum des Bootes gelangt man über eine Stufe, damit dieser nicht beim Öffnen der Rettungsluke ganz nass wird. Im Inneren befinden sich zwei große Sitze mit Steuerrädern und viele technische Geräte, unter anderem 2 Funkgeräte. Das eine hält Verbindung zur Zentrale auf dem Festland, von wo alle weiteren Angaben mitgeteilt werden. Mit dem anderen kann die Hauptzentrale in Bremen zur Rettung von Schiffbrüchigen kontaktiert werden. So eine Zentrale muss jedes Land stellen. Dort werden alle Notrufe aus ganz Deutschland gemeldet und verarbeitet. Eine kleine Treppe führt nach unten zu mehreren Sitzen, die auf der linken Seite stehen. Auf der rechten Seite befindet sich eine Art Bank mit Sitzpolstern. Hinter einem der Sitze fällt ein orangener Koffer ins Auge, in dem sich eine kleine Rakete befindet. Sie hat am Ende der 200m langen, an ihr befestigten Leine einen Enterhaken, mit dem man sich an anderen Schiffen befestigen und diese so abschleppen kann. Der Enterhaken wird aber nicht per Hand am anderen Boot befestigt, sondern mit Druckluft hinüber geschossen. So ist gewährleistet, dass ein Boot auch abgeschleppt werden kann, wenn man aufgrund hohen Wellenganges nicht ganz nah an das andere Boot heran fahren kann. Auch gibt es Leuchtraketen in rot und in weiß. Marek erklärt mir, dass die rote als Hilferuf und die weiße als Antwort für einen Hilferuf gilt. Um diese benutzen zu dürfen, muss man einen extra Schein machen. Wichtig sind auch die warmen Kleidungsstücke zum Aufwärmen von Geretteten und zuckerhaltige Snacks für unterzuckerte Personen an Bord.

Jeder, der in Seenot geraten ist, kann über das Funkgerät und den Kanal UKW -16 um Hilfe bitten. Diesen Kanal hören die Seenotretter in Schilksee sowie auch die Zentrale in Bremen immer mit. Wenn man dort einen Hilferuf absendet, wird man auf jeden Fall gehört.

Die Einsätze variieren von Station zu Station. „Bei uns sind es Motorprobleme, die uns Bootsbesitzer melden, wenn deren Boot zu lange im Winterlager war, oder im Sommer auch häufig Sportler, die ihre Kräfte überschätzen, die Strömung unterschätzen oder deren Material kaputt ist und die deshalb nicht von alleine wieder zum Ufer kommen. Allerdings sind die Sporteinsätze meist Fehleinsätze, da es den Menschen gut geht und sie nur etwas Hilfe beim Zurückkommen benötigen", erläutert Marek. Er ergänzt: „Jeder Einsatz ist aufregend. Denn es hängt immer von den Bedingungen ab, unter welchen man eine Rettung durchführen muss. Manchmal ist eine Bergung eines Ertrinkenden bei stürmischer See und peitschendem Regen anstrengender und aufregender, als bei strahlendem Sonnenschein, so wie jetzt, eine Person von einem brennenden Schiff zu retten.

 Wenn wir eine verletzte Person bergen, deren Wunde nicht allzu groß ist, haben wir vielleicht Glück und es ist ein Seenotretter mit an Bord, der Arzt von Beruf ist. Wir teilen der Leitstelle mit, dass wir eine verletzte Person an Bord haben, und die Leitstelle ruft, wenn nötig, einen Krankenwagen. Wir bringen die Person umgehend ans Festland und falls kein Arzt an Bord gewesen sein sollte, ist vielleicht einer in der Leitstelle. Dort wird auf den gerufenen Krankenwagen gewartet, andernfalls wird der Person empfohlen, nach Hause zu gehen und sich zu erholen" führt Marek aus. Wenn allerdings eine schwer verletzte Person an Bord ist und kein Arzt dabei oder auf einem anderen Boot in der Nähe ist, wird auch schon mal der Helikopter gerufen, um diese von Bord aus direkt ins Krankenhaus zu fliegen. Sofern der Seenotrettungskreuzer groß genug ist, kann dort auch ein Helikopter landen, um die Person vor Ort erstmal mit den wichtigsten Dingen zu versorgen, welche sonst in der Luft passieren müssten.

Dann machen wir uns wieder zurück auf den Weg zur Zentrale . Dort verabschiede und bedanke ich mich, wieder mit einem leichten Kaffeegeruch in der Nase.

 
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