Ein Schüler wird zum Lehrer

Lilja 8D EBG 18. November 2022
J.W. Beim Cellospielen in Bolivien ©

14.11.2022. Heute treffe ich mich per Videokonferenz mit J.W., der in einem der Zimmer seiner Gastfamilie sitzt und sich bereit erklärt hat, mir einen Einblick in sein soziales Jahr zu geben. Wir haben 15:30 Uhr, jedoch sollte es dank der Zeitverschiebung zwischen Bolivien und Deutschland bei ihm erst ungefähr 10:30Uhr sein.

Wir beginnen unser Gespräch mit seinen Gründen für ein soziales Jahr. Er sagt, er wolle sich dadurch für sein späteres Berufsleben inspirieren lassen, da er im Gegensatz zu vielen anderen noch keine feste Richtung für sich gefunden hat. Er findet es gut, sich erst einmal umschauen zu können. Er arbeitet an einer Musikschule, an der er einigen Lehrern aushilft.
„Ich helfe den Lehrern, die dort Cello-, Gitarren-, Chor- und Klavierunterricht geben", erklärt er. Zusätzlich unterstützt er das Orchester. Allerdings ist ein soziales Jahr alles andere als
bezahlter Urlaub: Für gewöhnlich steht J.W. um 7:00 Uhr auf, um um 8:00Uhr bei der Arbeit zu sein. Nach einer Mittagspause von 11:00-14:00Uhr beginnt seine zweite Schicht, die um 18:00Uhr endet. Bis auf Dienstag, Donnerstag und Freitag Vormittag ist das der Alltag
J.W.s . An diesen Tagen öffnet die Musikschule erst nachmittags, weshalb er erst ab der zweiten Schicht arbeiten muss.

Jedoch war dies in den letzten zwei Wochen gänzlich anders, wie er mir erklärt. Die gesamte
vorletzte Woche probte er für ein Konzert für den deutschen Botschafter, wofür auch viele Musiker aus anderen Städten hinzugekommen waren. Auch in der letzten Woche fiel seine Arbeit wegen eines Streiks der Bevölkerung gegen eine Volkszählung weg.

Im normalen Alltag fällt ihm der Cello-Unterricht am leichtesten, da er dieses Instrument selber schon vor seinem sozialen Jahr am besten beherrschte. Allerdings lehrt er nicht nur, sondern wird ebenso selbst beschult. Zum Beispiel, um sich in dem fremden Land gut verständigen zu können: „Ich nehme noch Klavier- und Spanisch-Unterricht."

Bei J.W. im Hintergrund ist ein Hund zu hören, bevor die Verbindung bröckelt. Als ich ihn wieder verstehe, fahren wir fort.                                                                                                                         

Besonders wichtig ist mir die Frage, was J.W. bewirken möchte. „Ich hoffe natürlich, dass ich helfen kann, dass meine Arbeit sinnvoll ist und dass ich Kindern und Jugendlichen (...) das, was ich gelernt habe, vermitteln kann (...) Und außerdem bereichert mich das, was ich mache, auch selbst, indem ich Erfahrung sammle." Gleichzeitig möchte er den Leuten, die er in Deutschland erreicht, ein genaueres Bild Boliviens vermitteln, ihnen ermöglichen, hinter die Fassade zu gucken und mehr als nur das Land zu sehen, in dem Armut weit verbreitet ist.

Beispielsweise gibt es in Bolivien Feiertage wie den Dia de los muertos, einem Tag, an dem nach dem Glauben der Einheimischen die kürzlich Verstorbenen, also die seit etwa ein bis zwei Jahren Toten, sich noch einmal verabschieden oder mit einem speisen. Dafür errichten die Leute auf den Straßen Altäre, auf denen sie Gebäck und Getränke platzieren, die die
Verstorbenen gerne mochten. Am jeweiligen Altar darf dann wer will für den Toten beten. Oder die sogenannten Paradas , also große Straßenumzüge mit viel landestypischer Musik, Tänzen und bunten Kostümen.

Allerdings fehlt ihm in Bolivien auch etwas: „Ich vermisse das deutsche Essen ein bisschen
(...), aber ist schon okay, es gibt auch wirklich gute einheimische Sachen."

J.W. Überlegt eine Weile. Er lehnt sich zurück, sodass das Licht der Lampe grell in mein
Blickfeld gerät.

Zu guter Letzt kommen wir zu den Unterschieden zwischen den beiden Ländern. Dazu zählen die in Bolivien fehlenden Supermärkte. Stattdessen gibt es dort kleine Läden, in denen zum Beispiel Snacks zu besorgen sind. Ansonsten gibt es große Märkte auf den Straßen Boliviens, die zum Teil sogar ein ganzes Viertel abdecken.

Alles in allem gefällt ihm die Arbeit mit Kindern und das zeitweise Leben in Bolivien ziemlich
gut.

 
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