Jägers Lust - aber mit Verantwortung

Jonte Braker, 8b, Ricarda-Huch-Schule 21. November 2022 2 Kommentar(e)
Für die Hubertusmesse in Jevenstedt geschmückte Kirche © Andreas Fesefeldt Aufmerksam beobachtet Jagdhund Pelle, ob sich Wild zeigt. © Frederike Tirre

Kiel/Jevenstedt. Es ist dunkel, schon von weitem hört man die Klänge der Jagdhörner. Vor der Kirche von Jevenstedt stehen die Bläsergruppen mit ihren Instrumenten und Fackeln erhellen den Platz. So wird die Hubertusmesse in der Kirche nebenan eingeläutet.Die Kirche ist herbstlich dekoriert, neben dem Altar findet sich ein mit Laub geschmücktes Hirschgeweih. Die Musik sorgt für eine feierliche Stimmung und die Jäger zollen den Tieren, die sie im Laufe des Jahres erlegt haben, ihren Respekt.

„Respekt vor den Tieren ist eine Grundhaltung aller Jäger. Insbesondere die Vorstellung, dass Jäger und Jägerinnen gedankenlos Tiere töten und planlos um sich schießen, ist falsch", betont Jan Schülldorf, Leiter des Hegerings Jevenstedt, bei seiner Ansprache während der Messe.

Im Gegenteil, das Wissen über die Jagd erwirbt man nicht von heute auf morgen. Um Jäger oder Jägerin zu werden, braucht man eine Ausbildung, die acht bis neun Monate dauert. Trotzdem ist die Jagd attraktiv wie nie: die Zahl der Jägerinnen und Jäger nimmt stetig zu, im Jagdjahr 2020/2021 lag sie laut Deutschem Jagdverband bei über 400.000. Immer mehr Frauen absolvieren die Ausbildung, der Anteil der Jungjägerinnen liegt bei 28 % und immer mehr Personen ohne Jagdhintergrund machen den Jagdschein.

Und auch für Vegetarier kann die Jagd interessant sein, da das Schießen von Tieren nur der kleinste Teil ist. Dafür muss man sechs Stunden in der Woche zum Unterricht gehen und viel Theorie über Tiere, Waffenhandhabung, das Ausbilden und Führen von Jagdhunden und Naturschutz lernen. Praktische Erfahrungen sammelt man am Wochenende zum Beispiel mit einem ausgebildeten Jäger im Revier oder als Treiber bei Gesellschaftsjagden. Das Tier bei der Jagd sicher zu erlegen, damit es nicht unnötig leiden muss, wird durch Schießübungen auf dem Schießstand trainiert.

Dass Tiere bei der Jagd nur angeschossen werden, vermeiden die Jäger und Jägerinnen unter allen Umständen. Diese Verantwortung spürt auch die Biologin Frederike Tirre, seit drei Jahren ausgebildete Jägerin: „Nach dem Jagdschein hat es ein Jahr gedauert, bis der richtige Moment und der richtige Rehbock da waren, um ihn zu erlegen. Es sollte alles passen und ich wollte richtig treffen, damit das Tier nicht unnötig leiden muss oder ich eventuell eine Nachsuche verursache."

Genau deshalb werden Jungjäger üblicherweise durch einen Lehrherrn oder eine Lehrfrau angelernt, um das Revier kennenzulernen und praktische Erfahrungen als Jäger oder Jägerin zu sammeln. Fast alle Jäger, egal ob ihnen das Land selbst gehört oder ob die Jagd gepachtet ist, gehören einem Hegering an. Hier werden gemeinsam Entscheidungen, beispielsweise zu den Abschusszahlen, getroffen. So wurden „im letzten Jahr im Hegering Jevenstedt 339 Tiere Rehwild erlegt", wie Jan Schülldorf berichtet.

Für Frederike Tirre ist es wichtig, dass sie so gesundes und frisches Fleisch von freilebenden Tieren auf ihren Teller bekommt. Aus den circa sechs Kilogramm Fleisch eines erlegten Rehbocks lassen sich viele leckere Gerichte wie Rehkeule, Steaks für den Grill oder Hackfleisch für Burger oder Bolognese zaubern. Auch die anderen Teile des Rehs kann man verwerten.

Jägerin Tirre ist gerne draußen in der Natur und das Beobachten der Tiere liegt ihr am Herzen. Jetzt im Herbst ist Jagdzeit, die Blätter rascheln unter den Füßen, es ist früh dunkel und sie ist mit ihrem Rauhaardackel Pelle im Revier in Jevenstedt unterwegs. Die Jägerin und ihr Hund sind ein eingespieltes Team. Er hält die Nase in den Wind und wittert als Erster, wenn sich Tiere nähern. Während sie oben auf dem Hochsitz ein Tier ins Visier nimmt, wartet er geduldig und fast mucksmäuschenstill. Auch wenn ein Tier durch den Schuss nur verletzt sein sollte, spürt der speziell ausgebildete Jagdhund dieses auf und führt die Jägerin zu ihm.

Freude an der Jagd und der Natur, „auch wenn dies vielleicht etwas komisch klingt", ist für Frederike Tirre das Wichtigste. Viel mehr Raum nehmen nämlich das Beobachten und Hegen der Tiere und andere Naturschutzmaßnahmen ein. Dabei geht es auch darum, den Bestand der Tiere im Auge zu behalten und bestimmte Populationen, wie beispielsweise des Raubwilds, zu begrenzen. Auch kranke und schwache Tiere müssen die Jäger schießen. Hinzu kommt, dass Tiere häufig durch Verkehrsunfälle verletzt werden, „allein 123 Stücke Rehwild in Jevenstedt im vergangenen Jahr", so Schülldorf. Dann wird der örtliche Jäger hinzugerufen, um das Tier von seinem Leid zu erlösen. Im Winter werden Salzlecken, im Sommer Wasser für die Tiere bereitgestellt. Wege und Hochsitze werden kontrolliert und freigeschnitten, die Aufgaben sind vielfältig.

Zu all diesen Themen tauscht man sich regelmäßig unter den Jägern und Jägerinnen im Hegering und den Revieren aus, die Jagd ist keineswegs ein Hobby für Einzelgänger. Neben gemeinsamen Ansitz- und Grillabenden wird Fleisch verkauft, Gemeinschaftsjagden organsiert, Schießen geübt, Rehkitzrettung mit der Drohne durchgeführt und mit den Hunden trainiert.

Aktivitäten wie Reviergänge mit Kindern dienen der Sensibilisierung für die Natur und die Jagd und damit auch der Öffentlichkeitsarbeit. Und nicht zuletzt trifft man sich zum Jagdhornblasen. Denn jedem jagdbaren Tier ist ein Jagdhorn-Signal gewidmet und früher, als es noch keine Handys gab, hat man so auf der Jagd miteinander kommuniziert. Auch Frederike Tirre ist bei den Jagdhornmädels Jevenstedt aktiv.

Heute ist sie im großen Kreis der Jagdhornbläser vor der Kirche dabei und genießt das Gemeinschaftsgefühl und die tolle Stimmung. Nach der Messe wird der Abend für die Jäger und Jägerinnen mit einem leckeren Teller Erbsensuppe ausklingen.

 
2 Kommentar(e)
  1. Frieder
    24. November 2022

    Super gemacht Jonte! Man spürt richtig wie sehr du dir mühe gegeben hast. Weiter so!!!
  2. Iven
    25. November 2022

    Wow, also Jonte Henrik Braker, diese Reportage hat mich echt umgehauen. Sie ist sehr gut geschrieben und du hast es geschafft, dass man sich sehr gut in die Rolle als Jäger hineinversetzen kann. Ich bin Stolz auf dich.

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