KIEL. Begleitet von Schiffshupen und Möwengeschrei kommen wir an der Schleuseninsel an. Am Eingang zu dem Gelände sehen wir schon von Weitem durch den leichten Sprühregen das Ziegelsteingebäude der Lotsenbrüderschaft Kiel. Dort treffen wir den zweiten Ältermann Markus Böhm.
Er öffnet uns die Tür und ein warmer Geruch von Kaffee kommt uns entgegen. Der 48 jährige Lotse trägt ein Hemd mit einem Pullover darüber und wirkt nett. Er und ein weiterer Ältermann tragen die Lotsenbrüderschaft nach außen, da die Freiberufler keine Chefs haben. Nach einer kurzen Begrüßung und einem festen Händedruck gehen wir in sein Büro, wo er uns ein paar Dinge über seinen Beruf als Lotsen erzählt. Er berichtet uns, wie er erst eine ganze Weile zur See gefahren ist. Dabei ist er mit großen Frachtern um die ganze Welt gefahren und war sogar in Australien oder Südost Asien. Da kam es auch mal vor, dass er bis zu sieben Monate unterwegs war. „Das ist als junger Mensch total toll und man lernt die Welt kennen, das ist alles total super. Würde ich auch nie anders machen wollen, weil man hat dadurch sehr viel Lebenserfahrungen gesammelt" Damals konnte man allerdings an Bord nicht so gut soziale Kontakte pflegen, da das Internet damals noch nicht so fortgeschritten war und eine kleinste Textdatei schon teuer war. Nach zehn bis zwölf Jahren merkte er aber für sich selber, man ist sehr lange unterwegs und es wird irgendwann langweilig. Da er aber noch weiter zur See fahren wollte, ohne so lange weg zu sein, hat er sich dazu entschlossen, Lotse zu werden.
Nun arbeitet Böhm vier Monate in Bereitschaft. Da die Lotsen Freiberufler sind, gewähren sie sich nach diesen vier Monaten gegenseitig 28 Tage frei. Dies wollen sie aber ab Dezember ändern, weil für sie das Problem die nicht planbare Freizeit ist: „Ich mache mir einen Zahnarzttermin in zwei Wochen, weiß aber nicht ob ich den wahrnehmen kann. Weil es kann ja passieren, dass ich irgendwie gerade auf'm Schiff bin." Die Lotsen und Lotsinnen haben nämlich eine Liste, in der man immer wieder aufrutscht. Je nachdem, wie viel im Moment los ist, weiß man nie zu hundert Prozent, wann man dran ist. „Also es ist üblicherweise so, wir haben auf jedem Handy [...] Zugang zu dieser Liste. Die kannst du auf deinem Handy abrufen, dann siehst du, ich stehe an der und der Nummer und dann guckt man schon mal, wann bin ich wieder dran."
Ein Problem für viele ist allerdings der unregelmäßige Wach – Schlaf Rhythmus. Böhm sagt uns, dass dies aber nicht unbedingt vom Schifffahren kommt, sondern viele machen sich in dem Moment, wo sie an Land sind, Freizeitstress. „Wenn man sich die Freizeit relativ flexibel hält, dann gibt es aus meiner Sicht [...] eigentlich keine Probleme mit diesem unregelmäßigen Wach – Schlaf Rhythmus", so Böhm. Allerdings gibt es auch Studien, die zeigen, dass dieser unregelmäßige Wach – Schlaf Rhythmus nicht gesund ist, und deshalb gibt es auch ein paar, die damit Probleme haben.
Diesen anspruchsvollen Job der Lotsen machen derzeit 155 Freiberufler und Freiberuflerinnen. Momentan sieht es noch ganz gut aus mit der Besetzung, aber in zehn Jahren wird es schon knapp, da nicht viele neue Auszubildende nachkommen und trotzdem welche in Rente gehen. Vor allem wünschen sie sich mehr Frauen: „Wenn das alles gut durchmischt ist, ist das viel viel ruhiger", sagt uns Böhm.
Unser Blick wendet sich dem Fester zu und wir drei bemerken, dass der Regen aufgehört hat. Draußen weht ein leichter Wind, und man hört Schiffe und Möwen. Am Ende unseres Besuches führt Böhm uns noch zur Schleuse, wo reges Treiben herrscht. Auf dem Weg dorthin kommen wir an der alten Schleuse vorbei. Sie machte 2014 einen unstabilen Eindruck, woraufhin sie die alte Schleusenkammer mit Sand aufgekippt haben. Rund 110 000 Tonnen Sand liegen nun in der alten Schleuse Kiel – Holtenau. Außerdem können wir noch eine Gruppe von neuen Lotsen kennenlernen, die gerade von einem großen Containerschiff kommen. Sie wirken glücklich und scherzen mit uns. Zusammen mit Herrn Böhm und der Gruppe gehen wir zurück und verabschieden uns.
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