Sobald man mit dem Fahrrad durch den Torbogen auf das alte Kieler Kasernengelände fährt, welches als Unterkunft für ukrainische Flüchtlinge dient, landet man in einem riesigen Innenhof. Er ist weitläufig und umrandet von alten Backsteingebäuden, die etwas älter wirken und viele große quadratische Fenster haben. In den Fenstern hängen Tücher und Handtücher, die als Gardinen dienen. Alles wirkt karg und trostlos. Stellt man sich das als neue Heimat vor?
Der Ukrainekrieg dauert schon Monate an. Inzwischen sind viele Flüchtlinge in Kiel angekommen. Aber wie sind sie hier untergebracht? Ich treffe mich mit einer ehrenamtlichen Helferin. Luise zeigt Gelände und ein Gebäude von innen und erzählt einiges.
Ich höre den Wind, der durch die Bäume weht und leise Gespräche in einer mir unbekannten Sprache. Im Zentrum entdecke ich eine Wiese mit einem kleinen, aber hübschen Spielplatz und ein rundes, rotes Zirkuszelt. Dort macht ein Zirkuspädagoge, wie Luise mir erzählt, ab und zu mit den Kindern Kunststücke. Auch wenn das Zelt in diesem Moment leer ist, kann ich mir sehr gut vorstellen, wie dort Kinder spielen und etwas Freude haben. Mir wird berichtet, dass die kleinen Kinder auch manchmal traumatisiert seien. Sie würden viel schreien, gar nichts mehr sagen oder nachts von Albträumen aufwachen. Eigentlich bin ich an diesem Nachmittag mit der Helferin dort zum Backen mit den Kindern verabredet. Dieses fällt aus organisatorischen Gründen kurzfristig aus. So kann ich mir leider kein eigenes Bild von den Kindern machen. Zum Glück werden solche Aktionen oder das wöchentliche Kinder-Café regelmäßig angeboten.
Darum zeigt Luise mir das Gelände und erzählt einiges.
Als ich mein Fahrrad anschließe, fällt mir der überfüllte Fahrradständer auf. Es sind nur gebrauchte Fahrräder und ein Großteil ist nicht angeschlossen oder hat einen Platten, sie sind also unbrauchbar.
Das Gelände war früher ein Kasernengelände und wird mittlerweile von der Bundeswehr vermietet. Seit der Flüchtlingskrise in 2015 ist es ein Flüchtlingslager. Es waren zwischenzeitlich immer mal ein paar Leute da, die dort lebten, aber seit dem Ukraine-Krieg sind dort etwa 900 Flüchtlinge untergebracht. Von diesen sind etwa die Hälfte Kinder. Neben diesen leben noch wenige andere Menschen aus verschieden Nationen dort.
Sobald ich eines der Gebäude betrete, stehe ich einer breiten Treppe gegenüber, die auf der einen Seite nach oben geht und auf der anderen runter. Wenn man hoch geht, steht man einer Poststelle gegenüber, sie sieht aus, wie ein Empfang in einem Hotel oder einem Krankenhaus. Das Gebäude erinnert von innen an ein Schulgebäude mit den langen, leeren Gängen und Glastüren, die verschiedene Bereiche voneinander abgrenzen. Auf beiden Seiten der Gänge befinden sich hauptsächlich Büros von Angestellten, die dort die Anmeldung der Neuankömmlinge erledigen. Außerdem gibt es einen Raum für die Wachleute, welcher groß und lichtdurchflutet ist. Dort treffen wir auf einen der Wachmänner, dieser erzählt: „Wir müssen die Hausordnung durchsetzen“. Er sagt auch, dass sie manchmal Konflikte, wie Schlägereien, lösen müssen. Alkohol trinken und rauchen ist laut der Hausordnung verboten.
Im Keller, welcher wie das ganze Gebäude, etwas vernachlässigt und dreckig wirkt, gibt es das Spendenlager. Dort können sich die Bewohner Bettwäsche, Kleidung, Schuhe und Hygieneproduckte holen. Für die Kinder gibt es auch Schulsachen, denn für sie gilt die Schulpflicht. Schulranzen sind sehr beliebt und schnell vergriffen.
Der Verein “Kiel hilft” organisiert den Spendenkeller. Es gibt zwei feste Spendentage in der Woche, an denen die ganzen Spenden für die Flüchtlinge abgegeben werden können. Die vielen Spenden kommen dann erst einmal in einen ziemlich vollgestopften Raum, wo sie auf einen Haufen gebracht werden und später sortiert und schließlich in einem anderen modrig riechenden Kellerraum landen. Der Raum erinnert mich an ein vernachlässigtes, unaufgeräumtes Zimmer eines Teenies, welches dringend mal gelüftet werden müsste.
Nicht alle Spenden werden an die Flüchtlinge dort verteilt. Eine Organisation aus Elmschenhagen fährt die übrigen Spenden direkt in die Ukraine.
Die sortierten Sachen kommen dann in zwei Kellerräume.
Im Kleiderkeller wird die Kleidung, wie in einem normalen Geschäft, nach Größe und Altersgruppe sortiert. Es gibt auch Regale mit Schuhen in verschiedensten Größen. Die Auswahl ist beeindruckend. Hier wird bestimmt jeder etwas finden.
Sobald der Spendenkeller geöffnet ist, herrscht großer Andrang. Eine der Helferinnen sagt: ”Sie reden dann so viel auf einen ein in Russisch und Ukrainisch.” Die Kommunikation mit den Flüchtlingen sei schwierig. Die meisten sprechen nur ihre Muttersprache und wenige können etwas Englisch.
In einem anderen Spendenkeller kriegen die Flüchtlinge, die gerade neu in Deutschland sind, ein sogenanntes „Starterpack“ mit Nudeln oder Reis, Konserven und anderen haltbaren Lebensmitteln. Für mehr als ein paar Tage, reichen die Vorräte nicht aus. Die Regale sind voll mit Waschmittel, Zahnpasta, Duschgel und anderen Pflegeprodukten. Die meisten Dinge sind gespendet, aber einige Produkte werden auch eingekauft.
Im Großen und Ganzen wirkt die Spendenausgabe von „Kiel hilft“ gut durchdacht und organisiert. Und die Menge an Spenden spiegelt gut die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung Kiels wider. Auch wenn ich keine Flüchtlinge persönlich getroffen habe, hoffe ich, dass sie sich aufgrund der Hilfsbereitschaft willkommen fühlen.
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