oder etwa nicht?
Wenn es ein erfolgreiches Fernsehformat schafft, den meist jungen und überwiegend weiblichen Zuschauern den Appetit auf zu viel Süßes gründlich zu vermiesen, dann sollte das Schauen dieser Sendung wohl ärztlich verordnet werden.
Also ist das doch beliebte TV-Unterhaltung zur besten Primetime mit gesundheitlichem Mehrwert?!
„Germanys next Topmodel" mit Heidi Klum ist seit 2006 die erfolgreichste Sendung dieser Art und steht dennoch immer wieder in der Kritik. Schwere Vorwürfe werden schon seit Jahren gegen die TV-Show erhoben und viele Stimmen appellieren für eine Absetzung der Sendung. Trotz der negativen Stimmen war die Topmodel- Suche von Heidi Klum auch 2022 bei ProSieben wieder ein Quotenmagnet. Ich habe selbst schon viele Staffeln der Castingshow gesehen und mir fallen schon seit ein paar Staffeln Muster auf, die mir ein ungutes Gefühl vermittelt haben.
Wer Model- Castingshows wie Germanys Next Topmodel (GNTM) schon länger verfolgt, wird festgestellt haben, dass diese Art TV-Sendungen immer nach dem gleichen Muster ablaufen.
Es gibt immer dramatische Streitereien unter den Mädchen, viele Tränen und ein ganz spezielles Frauen- und Körperbild, das das Denken der teilweise jungen Zuschauerinnen schon im frühen Alter infiltriert. Ich persönlich habe mit 11 Jahren das erste Mal eine Sendung wie GNTM gesehen und bereue inzwischen sehr, den Fernseher überhaupt zur Sendezeit angeschaltet zu haben.
Nach dem Ende der ersten Folge breitete sich bei mir und meinen Freundinnen damals ein „Ich will auch"-Modus aus. Wir haben im Wohnzimmer die Walks nachgestellt (teilweise mit so langen Kleidern, dass wir mehr als einmal hingefallen sind), haben Fotoshootings veranstaltet und waren ungeachtet unseres Alters mehr als bereit für den Luxus und das Jetsetleben der Models.
Anders gesagt: unsere Koffer waren quasi schon gepackt und bereit zur Abreise. Damals hatten wir noch keine Ahnung von der problematischen Darstellung des Frauenbildes in Fernsehsendungen. Heutzutage weiß man, sogar nachgewiesen von einer Studie, dass besonders GNTM-Essstörungen entfachen und verstärken kann. Eine IZI-Studie aus dem Jahr 2015 untersuchte die Rolle von Fernsehsendungen im Kontext von Essstörungen wie Magersucht und Bulimie aus der Sicht der Betroffenen. Die Befragung von 241 Menschen, die aktuell in Behandlung wegen einer Essstörung sind, zeigte: Germanys Next Topmodel kann die psychosomatische Krankheit verstärken. Für fast ein Drittel der Betroffenen war die Sendung entscheidend für die eigene Krankheitsentwicklung.
Grund dafür war, das GNTM den Körper und das Aussehen in den Mittelpunkt stellt, so wie viele andere Sendungen dieser Art, und viele befragte Mädchen das Gefühl hatten, dass 1,72m und die Konfektionsgröße 34/36 gleichzusetzen sind mit Erfolg und Schönheit. Nach der Veröffentlichung dieser Studie protestierten viele Mädchen und Frauen in den sozialen Medien mit dem Hashtag #NOTHEIDISGIRL gegen den toxischen Beautystandard von GNTM und tun dies teilweise immer noch. Nach meinen 5 Jahren GNTM- Konsum steht mein Koffer schon lange nicht mehr gepackt im Flur und mein jugendliches Ich träumt auch nicht mehr von einer Teilnahme. Mir ist in diesen 5 Jahren klargeworden, dass es kein Traummärchen ist, in dem man in 6 Monaten Topmodel wird, sondern eine von Heidi Klum und der Produktionsfirma vorgegebene Diktatur. In dieser gibt es am besten nur Salat, nichts außer Sport und eine Verstellung des eigenen Charakters, nur um von der TV- Show interessant gemacht zu werden. Es gibt zum Beispiel in jeder Frauen - Castingshow den typischen „Zicken-Krieg", der schon vor Jahren den Reiz für mich verloren hat. In diesen teilweise sogar inszenierten Giftschlachten wird mir und somit auch anderen Mädchen immer wieder das Bild vermittelt, dass Frauen sich eigentlich immer nur gegenseitig anfeinden und sich nichts gönnen. Ich meine, gerade wir Mädchen sollten zusammenhalten und uns unterstützen, oder stimmt es tatsächlich, dass wir nichts als Eifersucht und Neid gegenüber anderen Mädchen empfinden? Natürlich gehört ein gewisser Wettkampfgedanke zur Show und ist auch gesund, aber viele Mädchen bekommen bei diesen teilweise lächerlichen Meinungsverschiedenheiten den Stempel „Zicke" aufgedrückt.
Viele Kandidatinnen wurden so ins falsche Licht gestellt, dass sie selbst nach GNTM noch mit heftigem Mobbing in den sozialen Medien und teilweise sogar Morddrohungen zu kämpfen hatten. Es kam letztes Jahr sogar so weit, dass eine Kandidatin mit Polizeischutz zum Finale eskortiert werden musste, da die Morddrohungen um sie kein Ende fanden. Da sollte man sich dreimal überlegen, ob man Heidis „Meeeedchen" sein möchte, oder?
Ein weiterer Punkt, der deutlich gegen Castingshows wie GNTM spricht, ist der immer stärker wachsende Sexismus in den Castingshows.
Die Frauenrechtlerin Düzen Tekkal sagte vor 2 Jahren in der BILD-Talkshow: „Bei Germanys Next Topmodel gibt es eine Bootcamp- Mentalität: Richtig ist die, die sich unterordnet, wer den Mund hält und sich anpasst. Das ist auch die, die den Job kriegt, aber nicht die, die widerspenstig ist oder aufmüpfig". Heidi Klum betont zwar immer, sie suche das „schönste" Mädchen Deutschlands, aber Newsflash: Das ist gelogen, weil es nicht nur um Optik geht! Die Fernsehshows suchen einen ganz bestimmten Typ Mädchen. Diese Mädchen sollte sich zum einen die ganze Staffel über gut verhalten, unterhaltsam sein (aber nicht zu viel, ist ja sonst nervig), am besten auch noch beliebt auf Instagram sein und perfekt zur eigenen Marke passen. Hört sich nicht nach einer individuellen Castingshow mit Mehrwert an, oder? Tekkal kritisiert auch das Frauenbild, dass Kindern durch die Sendung vermittelt werde. Es bestünde vor allem aus Perfektion und Optimierung der Optik. Heidi betonte zwar gerade bei der Staffel von 2022, sie wolle Personality sehen, aber, liebe Heidi, irgendwie sehen wir immer nur dieselbe Art von Personality.
Für viele Risse in meiner GNTM-Glücksblase hat auch Peyman Amin gesorgt. Er war vier Jahre Junior bei GNTM und erzählte in einem Interview schockierende Wahrheiten über GNTM nach seinem Ausstieg. Ich war immer davon ausgegangen, dass allein die Leistung der Mädchen bewertet wird. Natürlich habe auch ich manchmal vor dem Fernseher gesessen und gesagt: „Die waren ja gleich gut", aber ich dachte immer, die Juroren werden schon mit ihrem Fachwissen das Potenzial der Besseren entdecken. Was mich sehr schockiert hat und viele immer noch nicht wissen, ist, dass, wenn zwei Mädchen relativ gleich stark sind, danach entschieden wird, welche interessanter ist und welche sie sozusagen besser vermarkten können. Ja, richtig gehört, vermarkten, wie ein neues Produkt! Die andere mit der gleichen Leistung, welche aber weniger Rampensau ist, muss die Sendung verlassen.
Ich jedenfalls habe Frauen- Castingshows schon lange verlassen. Eines steht fest und sollte jedem bewusst sein, der vom Modelleben träumt: Den Weg zum Topmodel geht man am besten ohne ein Fernsehformat. Uns Mädchen sollte bewusst sein, dass wir im 21.Jahrhundert leben und uns eine Kleidergröße, unser Essverhalten und unsere Dosierung an Sport nicht definieren. Tja, liebe Model- Castingshows, ich muss euch leider mitteilen, dass ich heute kein Foto für euch habe!
5 Kommentar(e)