Sexismus-Skandal um Statur in Heikendorf sinnlos
Ein Kommentar zur Debatte um die Statur ,,Gerettet"
Als Heikendorfer*in kennt man sie natürlich. Die Bronzestatur zwischen Möltenorter Hafen und Ehrenmal ist ein Eyecatcher. Ein Fischer trägt eine junge Frau. Ihre Haare und das Kleid sind nass. Man kann deutlich ihre Brüste und Brustwarzen erkennen. Ende September hat die Statur Schlagzeilen gemacht. Eines Nachts hing plötzlich ein Pappschild um den Hals des Fischers. Das Schild trägt die Aufschrift „Fight Sexism" (zu Deutsch: Bekämpft Sexismus).
Heikendorf hat schon eine Vorgeschichte mit ,,sexistischer" Kunst. 2018 musste der Künstler Kai Piepgras seine Bilder im Heikendorfer Rathaus verhüllen, weil sie nackte Haut und Frauen in High-Heels zeigten und sich die SPD-Abgeordnete Karla Schmefeld unwohl mit den Bildern fühlte. Daraufhin hat der Kunstliebhaber Sven Petersen aus Solidarität zu Piepgras die Bronzestatur „Gerettet" mit einem dunklen Tuch verhüllt.
Außerdem kann man auf dem Schild lesen: „Der starke Fischermann rettet die schwache Frau, die komplett sexualisierte schwache Frau" „Fight Patriarchy" (zu Deutsch: Bekämpft das Patriachart), „Zerstört dieses sexistische ,Kunstwerk' ", „Sexismus pur by Adolf Brütt."
Adolf Brütt ist der Künstler hinter der Statur namens „Gerettet". Tatsächlich wurde der Künstler von einer wahren Geschichte inspiriert, als er an dem Original der Bronzefigur arbeitete. Das Heikendorfer Exemplar ist nämlich ein Zweitguss. Der Fischer Klaus Löpthien aus Heikendorf rettete das Mädchen Stina Schröder vor dem Ertrinken in der Ostsee. Adolf Brütt soll die Szene als Badegast in Heikendorf selbst erlebt haben und wurde dann zu seinem Werk inspiriert. Das anonyme Pappschild war schnell wieder verschwunden, aber die Frage bleibt im Kopf. Ist die Statur wirklich sexistisch? Kann Kunst überhaupt sexistisch sein? Meiner Meinung nach kann sie das. Zum Beispiel, wenn der Künstler oder die Künstlerin eine klare Meinung von Rollenverteilung hat und diese auch in seinen oder ihren Kunstwerken darstellt.
Ich möchte klarstellen, dass Kunst alles sein kann und auch vieles sein sollte. Kunst sollte zum Nachdenken anregen. Kunst sollte provozierend sein und auf wichtige Missstände hinweisen. Meiner Meinung nach kann Kunst Menschen aber auch verletzen, indem sie zum Beispiel einen bestimmten Typ Mensch schlechter darstellt oder man deutlich erkennen kann, dass das Kunstwerk Diskriminierung hervorrufen will. Außerdem sollte man nicht vergessen, in welcher Zeit sie erschaffen wurden. Es gibt viele fragwürdige Bilder (mit zum Beispiel viel Freizügigkeit), die aber trotzdem einen großen Stellenwert in der Kunstgeschichte haben und sehr viel wert sind. Aber warum findet der Unbekannte, der das Schild aufgehängt hat, die Statur sexistisch? Er oder sie stört sich daran, dass sich die beiden Figuren in klarer Rollenverteilung befinden. Der ,,starke" Fischer rettet die „schwache" Frau, deren Brüste man dabei auch noch erkennen. Was für ein Skandal!
Meiner Meinung nach ist das aber noch keine Begründung. Brütt hat die Statur nicht angefertigt, um die Unterschiede zwischen Mann und Frau zu zeigen und auch nicht, weil er der Meinung war, man müsse Frauen schwächer als Männer darzustellen. Der Künstler wollte eine Szene einfangen, in der eine junge Frau vor dem Ertrinken gerettet wird und daran ist nichts Sexistisches. Laut DWDS Definition ist Sexismus die Vorstellung, nach der eines der beiden Geschlechter dem anderen von Natur aus überlegen sei, und die (aufgrund dieser Vorstellung für gerechtfertigt gehaltene) Diskriminierung, Unterdrückung, Zurücksetzung, Benachteiligung von Menschen, besonders der Frauen, aufgrund ihres Geschlechts.
Es geht um ein reales Erlebnis, welches er selbst gesehen hat und ihm bestimmt im Gedächtnis geblieben ist, weil es sich um eine einschneidende Szene handelt. Dass man die Umrisse des Körpers besser erkennen kann, wenn ein nasses Kleidungsstück daran klebt, ist eine Tatsache. Wenn statt Stina Schröder ein junger Mann gerettet worden wäre, hätte Brütt ihn oberkörperfrei oder wie auch immer er angezogen war, dargestellt. Das würde auch nicht sexistisch sein. Es ist ebenso eine Tatsache, dass es zu Klaus Löphtiens Zeiten eben größtenteils nur männliche Fischer gab, weil sich die Frauen auf andere Dinge konzentriert haben. Das ist aber eine ganz andere Sache und hatte mit der damaligen Weltanschauung und den gesellschaftlichen Normen zu tun.
Ich finde es nicht schlimm, dass der Unbekannte sein Schild aufgehängt hat. Jeder und jede darf frei seine Meinung äußern und es hat halt nicht jeder das gleiche Verständnis oder den kleinen Geschmack für Kunst. Wenn der Unbekannte die Statur sexistisch findet, ist das in Ordnung. Was nicht in Ordnung ist, dass er dazu aufruft, die Bronzestatur zu zerstören. Kunst sollte nicht zerstört und schon gar nicht die Statur „Gerettet", weil sie zu Heikendorf und der Geschichte des Ortes gehört. Aber ich glaube, dass es gerade jetzt wichtigere Gesellschaftsthemen, die wirklich sexistisch sind. Zum Beispiel der immer noch existierende Gender Pay Gap. Die Debatte um ein Kunstwerk erscheint mir im Gegensatz dazu etwas sinnlos.
Quelle Bild: privat
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