Feuer mit Feuer bekämpfen

Laura Benk 11a, RBZ am Königsweg 1. Dezember 2022
© Ronald Plett auf Pixabay

Stell dir einen Schreibtisch vor. Er kann klein, groß, schwer, leicht, modern oder altmodisch, aus dunklem Eichenholz oder heller Birke sein. Ganz egal. Wichtig ist der Schreibtisch und wichtig ist, dass auf diesem Schreibtisch Papiere liegen. Es ist egal, was darauf geschrieben ist. Vielleicht ist es das Manuskript eines neuen Romans, der die Welt verändern wird, oder es handelt sich einfach um den Stapel unkorrigierter Klausuren, die irgendein Lehrer oder eine Lehrerin bereits vor einem halben Jahr zurückgeben wollte. Es ist egal. Wichtig ist wieder nur, was auf diesem Stapel Papier liegt. Dort liegt nämlich eine Lupe. Ganz zufällig, einfach so, falls man die Mikroschrift dieses einen Schülers entziffern muss. Und jetzt stell dir vor, es ist ein schöner Tag draußen. Der Himmel ist blau und die Sonne scheint. Sie scheint direkt durch das Fenster, vor dem sich der Schreibtisch befindet. Das Sonnenlicht wird durch die Lupe gebündelt und im Brennpunkt wird es heiß. Sehr heiß. So heiß, dass sich das Papier unter der Lupe entzündet. Es fängt ganz klein an. Erst das erste Blatt (oder die erste Klausur) wird vom Feuer gefressen, dann breitet es sich immer weiter aus, schlägt über auf die Gardinen. Hab ich schon erwähnt, dass das Zimmer größtenteils aus Holz besteht?
Und auf einmal brennt das gesamte Zimmer lichterloh. Dann das ganze Haus. Was tut man dann?
Dumme Frage, wirst du jetzt sagen. Na, klar. Aber auch dumme Fragen sollten beantwortet werden, oder nicht? Nehmen wir mal an, es ist nicht dein Haus, welches sich gerade in Schutt und Asche verwandelt, denn in dieser Situation wäre es sehr schwierig, rational zu denken. Wenn man jetzt aber rational bleibt, macht es keinen Sinn mehr, das Feuer irgendwie selbst zu löschen. Man ruft also die Feuerwehr, die Profis. Darauf oder wenigstens darauf, das Feuer zu löschen, wäre wohl jeder gekommen. Niemand hätte wohl gesagt, dass man auch gleich die anderen Häuser in der Straße anzünden sollte, weil sich dann das Feuer nicht weiter ausbreiten könnte.
,,Wenn man Feuer mit Feuer bekämpft geht die ganze Welt in Flammen auf." So lautet ein Zitat aus der Serie ,,Eine Reihe betrüblicher Ereignisse", welches ich sehr inspirierend finde. Okay, natürlich gibt es da diese eine Methode des Gegenfeuers, welche oft bei Waldbränden angewendet wird. Dabei bekämpft man Feuer wortwörtlich mit Feuer, indem man gezielt ein kleines Feuer legt, um eine Schneise zu schlagen. Diese Schneise soll das flächendeckende Feuer unterbinden, indem es ihm die „Nahrung", also brennbaren Untergrund nimmt.
Aber das Zitat spricht hier von der sprichwörtlichen Bedeutung:
Man kann Probleme nicht mit weiteren Problemen lösen. Man muss Lösungen finden.
In Deutschland befürchtet man, dass sich Klimaproteste wie die der Organisation ,,Letzte Generation" radikalisieren werden. Der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagt, Klimaprotest dürfe kein Freibrief für Straftaten sein. Außerdem warnt er vor der Entstehung einer sogenannten ,,Klima-RAF."

Er spielt dabei auf die „Rote-Armee-Fraktion" (kurz RAF) an, die 1968 unter Ulrike Meinhof, Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Horst Mahler gegründet wurde und die immer weiter in die linksextreme Richtung abrutschte und schlussendlich vierunddreißig Menschen tötete. Die RAF hat schreckliche Taten begangen und das darf man nie vergessen, wenn man über die Terrorgruppe und ihre Mitglieder spricht. Aber man darf auch nicht vergessen, warum die RAF ursprünglich gegründet worden ist. Die RAF gründete sich aus der 68er-Studentenbewegung heraus. Die Studenten und Studentinnen protestierten in den 1960er- Jahren unter anderem für eine Reform an den Hochschulen, das Ende des Vietnamkrieges, die Aufarbeitung des Nationalsozialismus und die Entlassung von (ehemaligen) Nazis auf wichtigen Positionen. Sie wollten Veränderungen und mitbestimmen. Ein Teil der Studentenbewegung hat sich schließlich radikalisiert und wurde zur RAF. Offenbar haben einige Menschen in Deutschland nun Angst vor einer Wiederholung dieser Radikalisierung im Bereich des Klima-Aktivismus. Bereits jetzt wird klar zwischen ,,Fridays for Future", unter der Schwedin Greta Thunberg ins Leben gerufen und in Deutschland vor allem durch Luisa Neubauer vertreten, und Organisationen wie „Letzte Generation" unterschieden. Während „Fridays for Future" weiterhin friedlich und angemeldet (traditionell freitags) protestiert, greifen die Aktivisten und Aktivistinnen zu härteren Mitteln. Sie kleben sich auf Straßen fest und blockieren so den Verkehr, schütten Tomatensauce auf alte Gemälde oder blockieren die Landebahn des BER. Vor einigen Wochen wurde in Berlin eine Fahrradfahrerin von einem Betonmischer überfahren und starb leider, da sie zu spät ärztliche Hilfe bekam. Der Grund: angeblich die Proteste zweier Klimaaktivistinnen der ,,Letzten Generation."
Das Thema reißt ganz Deutschland mit. Die ,,Letzte Generation" kritisiert den Medienwirbel um den tragischen Unfall und stellt klar, dass man das Unglück nun nutzen will, um sie schlecht darzustellen. Aber irgendwie wird ihnen nicht zugehört. Mal wieder nicht. Stattdessen hagelt es scharfe Kritik von allen Seiten. Der Kanzler, Robert Habeck, Luisa Neubauer, der Regierungssprecher Wolfgang Büchner und dann auch noch die Union, die härtere Strafen fordert und eine Vorbeugehaft für eine gute Idee hält. Natürlich muss die Union wieder etwas dazu sagen. Waren sie es doch, die in den letzten Jahren dazu beigetragen haben, den Klimawandel eher noch zu verschlimmern als zu entschärfen. Während die ganze Welt Naturkatastrophen und Hitzewellen aushalten muss, sträubt sich Markus Söder von der CSU immer noch gegen mehr Windräder in seinem geliebten Freistaat Bayern.
Was soll das Wort Vorbeugehaft überhaupt bedeuten? Man wird weggesperrt, damit man ein Verbrechen nicht begeht, oder? Aber hätte man es überhaupt begangen? Werden also künftig Aktivisten und Aktivistinnen ins Gefängnis gesteckt, weil sie protestiert haben und eventuell eine Straftat hätten begehen können, wenn es nach der CDU/ CSU geht???
Ich hoffe, dass ich das einfach falsch interpretiere, denn das würde zu weit gehen. Man kann nicht einfach Menschen einsperren, weil man befürchtet, dass sie etwas Verbotenes tun. Das bedeutet für mich keine Freiheit mehr.

Freiheit fühlt sich für mich leicht und süß an. Wenn sie eine Farbe wäre, wäre sie voll blau. So schön ruhig. Wenn sie ein Lebensmittel wäre, dann vielleicht Eis. Lecker und süß. Auch so leicht. Freiheit ist, die Sonne auf dem Gesicht zu spüren, den Wind im Haar zu fühlen und zuzulassen, dass er die eigene Frisur etwas durcheinanderbringt; Freiheit ist, wenn man weiß, dass man für den restlichen Tag keine Verpflichtungen mehr hat. Wenn man sich keine Sorgen machen muss, wenn man anders ist. Anders spricht, anders aussieht, anders liebt. Wenn man reisen kann, wohin man will. Wenn man seine Familie sehen kann, wann man will. Wenn man zur Schule gehen und studieren kann. Wenn man wählen darf und die Auswahl zwischen mehr als einer Partei hat. Wenn man seine eigene Meinung sagen darf und keine Angst haben muss, dafür bestraft zu werden. Freiheit kann so schön sein, aber der Weg zur Freiheit so verdammt schwer und leider auch brutal.
Teile der 68er-Bewegung und die ,,Letzte Generation" haben den radikalen Weg gewählt.
,,Und wenn du friedlich gegen die Gewalt nicht ankommen kannst
Ist das letzte Mittel, das uns allen bleibt, Militanz",
singt Danger Dan in seinem Song ,,Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt". Das letzte Mittel, das bleibt. Militanz, Straftaten, ziviler Ungehorsam. Wenn das wie die Freiheit eine Farbe wäre, wäre es wohl rot. Gar nicht ruhig, alarmierend, auffallend, warnend. Nicht umsonst sind die Stopp-Schilder an unseren Straßen rot. Wenn es etwas zu essen wäre, wäre es wohl etwas ganz Scharfes, sodass man die ganze Nacht Bauchschmerzen und Sodbrennen hat. Damit man es nicht vergisst.
Die ,,Letzte Generation" ist verzweifelt. Sie wissen nicht mehr, was sie tun soll, damit die Politik sie endlich ernst nimmt. Den Klimawandel endlich ernst nimmt. Wie Malcolm X. Damals wählen sie Militanz, weil sie wissen, dass friedlicher Protest nichts bringt. Sie geben sich Mühe. Wirklich Mühe und ich bewundere sie ehrlich dafür. Diese jungen Menschen riskieren Gefängnisstrafen und Spott für das Klima und geben trotzdem nicht auf. Alle kritisieren die Aktivisten und Aktivistinnen, wenn sie sich auf die Straße kleben. Beschweren sich, beschimpfen sie, werden manchmal sogar handgreiflich. Die Politik kritisiert ihr Verhalten. Die Aktivisten und Aktivistinnen werden vor laufender Kamera von einem Bild-Reporter belästigt, der sich über sie lustig macht, sie werden ohne ihr Einverständnis gefilmt oder fotografiert. Eine junge, etwas korpulentere Frau wird als ,,fett" beschimpft, nachdem sie in der Elbphilharmonie auf die Folgen des Klimawandels aufmerksam macht (Hamburg wird es wegen des steigenden Meeresspiegels eines Tages nicht mehr geben) und sich zusammen mit einem weiteren Aktivisten an ein Geländer auf der Bühne klebt. Jeder muss seinen Senf dazugeben, aber niemand sieht das wahre Problem. Den Klimawandel. Endlich muss etwas dagegen getan werden. Endlich müssen Aktivisten und Aktivistinnen ernst genommen werden. Dann muss man sich auch nicht vor Radikalisierung fürchten. Es wird keine Radikalisierung geben, wenn endlich Lösungen gefunden werden oder man wenigstens versucht, Lösungen zu finden.
Natürlich sind die Aktionen der ,,Letzten Generation" nicht in Ordnung und in Einzelfällen sollten sie wirklich bestraft werden. Wenn die Fahrradfahrerin in Berlin wirklich sterben musste, weil das Rettungsfahrzeug aufgrund der Demo nicht durchkam oder wenn eine Schwangere nicht rechtzeitig ins Krankenhaus kommt und ihr Baby verliert. Aber trotzdem sollte man den Grund nicht vergessen, warum diese Menschen sich auf eine Straße kleben. Die machen das auch nicht gerne, jede Wette.
Es ist jetzt die Aufgabe der Politik, die Lage nicht eskalieren zu lassen. Die Polizei muss vorsichtig beim Auflösen der Demonstrationen sein. Es darf nicht zu gewalttätig vorgegangen werden. Erst der Tod des Studenten Benno Ohnesorg hat dafür gesorgt, dass sich einige Studentenbewegungen zunehmend radikalisiert haben. Es darf jetzt nicht zu solchen Ausschreitungen kommen. Auch über härtere Strafen muss vorsichtig debattiert werden. Man sollte sich jetzt auf die Probleme des Klimawandels konzentrieren und versuchen, nachhaltige Lösungen zu finden. Noch kann man die Radikalisierung stoppen. Noch ist nicht alles verloren.
Wir sitzen doch alle im selben brennenden Haus. Wann hören wir endlich auf, Feuer mit Feuer zu bekämpfen? Wir sollten jetzt alle zusammenhalten, denn irgendwann ist es zu spät. Irgendwann gibt es die Welt, wie wir sie heute kennen, nicht mehr. Werden wir dann einsehen, was wir versäumt haben oder verschließen wir dann immer noch die Augen vor der Wahrheit?

 
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