Es ist warm, nein, schon heiß, viel zu heiß. Der Sand unter meinen nackten Füßen fühlt sich an, als würde er kochen. Als würde ich auf heißen Herdplatten gehen. Es brennt. Mir läuft der Schweiß von der Stirn und tropft runter auf den trockenen Boden. Alles, was ich hören kann, ist das Zwitschern der Vögel und das Gestöhne der Leute hinter mir. Eine kilometerlange Schlange aus Menschen der gleichen Art wie ich zieht sich zum Horizont hinaus. Es sind zu viele. Unmöglich sie zu zählen. Wir alle haben das gleiche Ziel. Dort anzukommen, wo Frieden herrscht. Dort anzukommen, wo man sicher ist. Vor Menschen mit Gewalt. Vor Menschen, die Grenzen überschreiten. Ich muss dieses Ziel erreichen. Ich muss. Ich brauche diesen Frieden, diese Sicherheit. Und zwar als Erster. Als Erster von dieser unfassbar großen Herde hinter mir. Denn wenn nicht, ist vielleicht kein Platz mehr für mich. Ich versuche noch schneller zu laufen als vorher. Mein Kopf lässt mir keine Ruhe. Ich rieche Erschöpfung. Der stechende Geruch von Schweiß liegt in meiner Nase. Mein eigener und der von denen hinter mir. Irgendwann habe ich aufgehört die Kilometer zu zählen, die schon hinter uns liegen. Aber ich weiß, dass es nicht mehr viele sind, bis zum Ziel. Plötzlich sehe ich die Grenzposten am Horizont. Mir fällt eine Riesenlast vom Herzen. Ich bin so nah dran. So weit weg von Hass und so nah dran an Frieden. Ich werde der erste sein. Für mich ist Platz. Auf einmal packt mich etwas an der Schulter und drängt mich weg. Ein junger Mann mit seiner Frau an der Hand drängelt sich vorbei. Sie haben es eilig. Genauso eilig wie ich. Wir teilen denselben Gedanken. Angst und Wut überkommt mich. Ich renne. Buchstäblich um mein Leben. Doch sie tun mir nach. Meine Beine schmerzen, genau wie meine Füße, doch mein Ehrgeiz ist stärker als je zuvor. Fokussiert auf die letzten hundert Meter. Kaum als ich dachte, ich hätte das Paar abgehangen, reißt mich jemand zu Boden. Ich falle. Die Energie sich zu schlagen, fehlt mir, also versuche ich mich mit all der Kraft, die ich noch aufbringen kann, von diesem fremden Wegbegleiter loszureißen. Als ich wieder auf die Füße komme, sehe ich den Mann am Boden und seine Frau guckt zu. Meinen Blick versuche ich wieder auf die Grenzposten zu richten, doch er fällt auf den Zollbeamten, der nur wenige Meter vor mir steht. Ich renne auf ihn zu. Hoffnung steigt wieder in mir auf. Doch sie verschwindet, als er seine Pistole zückt und auf mich zielt. Ich werfe, so schnell es geht, meine Hände in die Luft und möchte mich erklären. Doch alles, was ich höre, ist ein Schuss und dann sehe ich für einen Moment schwarz. Erneut falle ich zu Boden und versuche zu realisieren, was gerade passiert. Meine Brust schmerzt und der Sand, auf dem ich liege, färbt sich rot. Den Frieden, den ich mir gewünscht habe, versuche ich nun trotzdem zu finden. Die Welt vor mir verschwimmt und ich lass los.
Die Grenzen wurden erneut überschritten.