Die Fälle von Kindeswohlgefährdungen sind in den letzten Jahren stark gestiegen und erreichten im Jahr 2023 einen neuen Hochstand, sodass immer mehr deutsche Jugendämter an ihre Belastungsgrenze stießen. Den Bedürfnissen aller Kinder und Familien gerecht zu werden, scheint hierbei fast unmöglich. Um einen Einblick in die Situationslage der Jugendämter zu gewinnen, habe ich Frau W., Diplom-Sozialpädagogin beim Allgemeinen Sozialen Dienst in Kiel, befragt.
Wie sieht der Arbeitstag einer Sozialpädagogin beim Jugendamt derzeit aus?
Einen typischen Arbeitsalltag gibt es eigentlich gar nicht, jeder Tag sieht anders aus. Stress und Überstunden gehören dazu. Da es unsere Pflicht ist, jedem Verdacht von Kindeswohlgefährdung nachzugehen, braucht es bei den steigenden Fallzahlen viel Zeit, um diese zu bearbeiten. Damit einher geht leider auch viel Bürokratie. Mittlerweile reichen die personellen Kapazitäten einfach nicht aus, sodass man priorisieren muss, wem als erstes geholfen wird. Teilweise müssen Fälle sogar voneinander abgewogen werden, was belastend sein kann, wenn man das Gefühlt hat, nicht allen Fällen gerecht werden zu können.
Wie viele Fälle sind pro Fachkraft mittlerweile Normalität?
Je nach Region und Personalbesetzung sieht das anders aus. Ich jedenfalls arbeite derzeit mit mehr Fällen als empfohlen und somit auch mit weniger Zeit, als eigentlich notwendig.
Welche Faktoren führen zu diesen Arbeitsbedingungen im Sozialen Dienst?
Das größte Problem ist ganz klar der Fachkräftemangel. Es kommt auch vor, dass viele den Dienst erlassen, da sie überlastet sind. Hinzu kommt der Mangel an Plätzen in den Jugendhilfeeinrichtungen. Wir müssen oft lange nach Unterbringungsmöglichkeiten suchen, in einigen Fällen sogar bis ins Ausland. Außerdem verfügen ärmere Stadtteile oft über weniger finanzielle Mittel für Kinder- und Jugendhilfe. Hier müsste eine schnelle bürokratische und finanzielle Anpassung stattfinden.
Wie gehen Sie mit den Folgen dieser Umstände um?
Fehler möchten wir unbedingt vermeiden, deswegen gibt es den fachlichen Austausch im Team. Ebenfalls wurden Aufgabenbereiche an andere Fachstellen übertragen, wie zum Beispiel die Jugendgerichtshilfe. Fälle, die nicht als akut eingestuft werden, müssen mit langen Wartezeiten rechnen.Was sollte sich Ihrer Meinung nach ändern?
Es sollten schnelle Lösungen gefunden werden, um die strukturellen Probleme zu beheben und Mitarbeitende zu entlasten. Fallzahlen sollten begrenzt und es sollte mehr Geld für notwendige Projekte zur Verfügung gestellt werden. Die Digitalisierung sollte mehr unterstützt werden, um die Standards in der Jugendhilfe langfristig zu gewährleisten. Es sollte insgesamt mehr passieren, um den Beruf attraktiver zu gestalten.
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