Italiens Strandhändler – Kampf gegen Armut

Gymnasium Altenholz 16. November 2017

Heißer Strand, herrlicher Wind und die Surfbretter auf dem Dach. Doch nicht jeder fährt an den Windsurfspot Porto Pollo auf der Trauminsel Sardinien, um dort Urlaub zu machen. Es gibt auch Menschen, die hier täglich hart arbeiten. Mit klar vernehmbaren, freundlichen Rufen wie „Hello my friend!" und „Good prices today!" machen die vielen Sonnenbrillen,- Tuch- und Gürtelverkäufer auf sich aufmerksam. Sie verbringen ihren Tag gekleidet in weite Gewänder und preisen an heißen Stränden ohne Schatten und Mittagspause ihre Waren an. Die Männer und Frauen sind schwer beladen mit Strandtüchern, sie balancieren Körbe auf dem Kopf, oder sie ziehen selbst gezimmerte Wagen durch das Wasser. So drehen sie von morgens bis abends ihre Runden zwischen den Urlaubern und Surfern aus ganz Europa. Doch häufig sind die Geldbörsen der fleißigen Händler aus Schwarzafrika bei Sonnenuntergang immer noch nicht voll genug, um die eigene Familie in der Ferne ausreichend ernähren zu können.

Einer von diesen in die Armut hineingeborenen Afrikanern ist Ibra (40) aus dem Senegal,
der nicht von mir fotografiert werden wollte. Der Schmuckverkäufer verriet mir in einem persönlichen Gespräch, welche existenziellen Nöte hinter dem bunten Treiben solcher Strandverkäufer stecken.

Ibra wurde im Senegal geboren und ist dort aufgewachsen. Als Junge ging er dort zur Schule, um später hart in dem armen Land zu arbeiten. Vor 9 Jahren ist er zum ersten Mal nach Porto Pollo gekommen, um an den gut besuchten Stränden seine Waren zu verkaufen, getrieben von der Hoffnung, ein bisschen mehr Geld zu verdienen als in der von Armut geprägten Heimat.

Ibra verlässt in den Sommermonaten Jahr für Jahr den Senegal und seine Familie, weil es dort sehr schwer ist, eine einigermaßen bezahlte Arbeit zu finden. Ibra hat eine Frau und zwei Kinder (6 und 8 J.), die zu Hause auf ihn warten, und von denen er mir voller Stolz und mit Tränen in den Augen erzählt. Die lange Trennung von Juni bis Ende Oktober nimmt er in Kauf, um sie halbwegs gut versorgen zu können. Im November fliegt er nach Hause und bleibt bis Mai bei seiner Frau und seinen Kindern. Wenn in Italien Winter ist, arbeitet Ibra in seiner Heimat in der Landwirtschaft auf dem Feld, oder er verkauft Schafe und Hühner.

Am gut besuchten Strand von Porto Pollo bietet Ibra einfachen Modeschmuck, zum
Beispiel Ketten mit echten Haifischzähnen, an. Es ist von Hand gefertigter Schmuck, den er zu Hause von Bekannten aus dem Senegal und aus Kenia kauft. In der Saison arbeitet er jeden Tag von früh morgens bis abends. Unermüdlich nimmt er Kontakt zu den Touristen auf, verwickelt sie charmant in Gespräche in einem Mix aus Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch und versucht geschickt, die Strandgäste für seine Waren zu begeistern. Haben sich diese erst auf ein Gespräch eingelassen, ist das Eis oftmals schnell gebrochen, und ein kleines Fußkettchen mit Glöckchen wechselt nach mehr oder weniger Feilscherei für ein paar Euro den Besitzer. So verdient Ibra an einem sehr guten Tag im Hochsommer bis zu 60 Euro, an anderen Tagen gerade einmal ein Drittel davon. Trotzdem kann er es sich nicht leisten, mal einen Tag frei zu machen. „Es reicht geradeso für das Allernötigste zum Leben", erklärt er mir.

Auf Sardinien lebt Ibra in einer winzigen Wohnung in der Nachbarstadt Palau. Von
dort fährt er jeden Morgen an den gleichen Strand, zu dem er schon seit vielen
Jahren kommt.

Ibra erzählte mir, dass es hier keinen Konkurrenzkampf zwischen den Strandverkäufern
gibt. „Wir verstehen uns alle gut und haben zum Teil sogar ein freundschaftliches Verhältnis. Wahrscheinlich liegt das daran, dass wir alle in einer ähnlichen Situation sind", vermutet er.

Im Gegensatz zu einigen Strandhändlern, die ihre Waren illegal an unwissende Urlauber verkaufen, um keine Steuergelder bezahlen zu müssen, hat Ibra eine entsprechende Lizenz und darf seine Waren legal verkaufen. „Ich komme gut zurecht mit der Polizei, die sich hier sehr präsent zeigt, um nach dem Rechten zu sehen."

Inzwischen ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in Italien der Herbst eingekehrt und
Ibra ist seit ein paar Wochen wieder im Senegal bei seiner Familie, auf die er sich sehr gefreut hat. Er hat mir versprochen, dass wir uns nächstes Jahr im Frühling am selben Ort wieder treffen werden. Und so höre ich schon wieder in meinem inneren Ohr: „Hello my friend! Good prices today."

Von Jara Lynn Horbach

 
Dieser Eintrag hat bisher keine Kommentare

Kommentar schreiben

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert