Rennen in den Tod - Tierquälerei getarnt als 'Sport'?

Klasse 9a (Gymnasium Altenholz) 19. November 2018
© Elina Frieß

Kiel. Um 16.15 Uhr dämmert es bereits. Gerade geht am ganzen Reiterhof die Beleuchtung an. Der Reitplatz leert sich langsam. Vereinzelt kann man lauter werdendes Klappern von Pferdehufen hören. Die ersten Pferde werden von den Koppeln geholt und in den Stall gebracht. Die meisten Boxen verfügen über einen kleinen Auslauf, den Paddock. Jedes Pferd darf also selber entscheiden, ob es draußen oder drinnen im Stall stehen möchte. Zu jeder Zeit kann es rein und raus gehen.

Aber nicht alle Pferde dürfen die Welt außerhalb ihrer Box jederzeit genießen : Rennpferde auf der ganzen Welt leiden unter ihrem Schicksal. Jeden Tag stehen sie bis zu 23 Stunden allein in der Box und müssen im ca. einstündigen Training dann ihr bestes geben. In der freien Natur sind Pferde bis zu 16 Stunden am Tag in Bewegung. Das ist ein enormer Unterschied. Draußen auf der Wiese sei das Verletzungsrisiko für die wertvollen Tiere zu hoch, lautet die Rechtfertigung vieler Trainer. Über die Frage, ob man das noch als artgerechte Haltung bezeichnen kann, lässt sich streiten. Aber was halten andere Pferdebesitzer von diesem Sport, bei dem das Wohl der Tiere meist aus den Augen verloren geht?

Draußen sieht man zu dieser Zeit nur noch wenige Leute. Es ist dunkel. Die meisten Menschen findet man jetzt im hell erleuchteten Stall. Überall hört man Unterhaltungen und Gelächter. Langweilig scheint es hier nie zu werden. Einige misten die Boxen aus. Andere räumen ihren Schrank auf. Zwei junge Frauen haben ihre beiden Pferde auf der Stallgasse angebunden und putzen sie gerade. Eine von ihnen erklärt sich dazu bereit etwas über sich und ihr Pferd zu erzählen: „Ich bin mit meinem Pferd schon seit ca. 4 Jahren in diesem Stall. Es ist jetzt fast 10 Jahre alt."berichtet die junge blonde Frau. Leider möchte sie weder ihren Namen, noch ihr Alter sagen. Trotzdem will sich den Fragen stellen, um einige grundlegende Dinge über Pferde zu erklären und eventuelle Missverständnisse aufzuklären. „Man sollte ein Pferd erst mit 3 bis 4 Jahren anreiten. Und dann möglichst langsam und schonend." erklärt sie.

Die Realität der angehenden Rennpferde sieht allerdings ganz anders aus. Um weder Zeit noch Geld zu verschwenden, werden die meisten schon mit 1,5 Jahren angeritten und zu Spitzenathleten trainiert. Mit gerade einmal 2 Jahren laufen sie ihre ersten Rennen und sind extremen Stresssituationen ausgesetzt. „Das ist vergleichbar mit einem Kind, welches Leistungen erbringen muss, denen selbst ein Erwachsener Hochleistungssportler kaum gewachsen ist. Es wird dem Druck nicht lange standhalten können." erläutert sie außerdem. Und sie hat Recht. Viele Jungpferde scheiden schon nach wenigen Rennen wegen Verletzungen, wie z.B. schweren Sehnenschäden, aus. Denn ihr Körper ist in diesem Alter meist noch nicht vollständig ausgewachsen und kann der Belastung daher oft nicht standhalten. Aber auch die Zahl der Tiere, die wegen Verletzungen noch auf der Rennbahn eingeschläfert werden müssen, ist nicht gering. Hinzu kommt eine Dunkelziffer der beim Training verunglückten Tiere. Nur die schnellsten und besten Vollblüter werden nach ihrer Rennkarriere zur Zucht verwendet. Leider sind das nur die wenigsten.

Aber was bewegt die Menschen dazu, auf Pferde zu wetten und sich Unfälle mit Todesfolge, Verletzungen und leidende Tiere mit anzusehen? Pferderennen sind nicht umsonst der zweitbeliebteste Sport in Deutschland. „Wahrscheinlich wissen die wenigsten, was der Stress und die Methoden, die das Pferd gefügig machen sollen, wirklich für die Tiere bedeuten. Vielleicht gehört es für die meisten einfach dazu und sie akzeptieren es." vermutet sie. Aber heiligt der Zweck die Mittel? „Auf keinen Fall! Ich denke wenn man das alles nicht so übertreiben würde bräuchte man diese 'Mittel' gar nicht." Tatsächlich sind viele Methoden des Rennsports umstritten.

Für einige sind es 'Hilfsmittel', andere bezeichnen sie eher als 'Regulierungsmaßnahmen', um das Pferd ruhig halten zu können. Eines davon ist zum Beispiel das sogenannte 'Zungenband', mit dem die Zunge des Pferdes an den Unterkiefer gebunden wird. Es heißt, so solle das Pferd während des Rennens besser atmen können. Eine weitere Sache ist die sogenannte 'Maske', die öfters zum Einsatz kommt, wenn Pferde nicht in die Startbox wollen. Sie verhindert, dass das Pferd sieht wo es hinläuft und es so leichter in die Startbox zu führen ist. Es sei zum Wohl des Tieres, um Stress zu vermeiden, sagt man. Rennsportgegner sehen das allerdings anders. Das Zungenband sei dazu da, damit sich die Pferde nicht gegen das Gebiss wehren können. Denn nur mit diesem ist es möglich das Pferd zu führen oder zu lenken, da selbst eine starke Person ein panisches Pferd sonst nicht festhalten kann. Und auch die Maske sei weder stressfrei, noch zum Wohl der Tiere, da sie die Angst noch größer mache.

Doch wo ist die Grenze zwischen Tierquälerei und Sport?
In diesem Moment kommt eine andere Frau mit ihrem Pferd vorbei, auf dem Weg zu dessen Box. „Die Pferde werden zu etwas gezwungen, was sie nicht wollen. Sicher ist das nicht in Ordnung!" antwortet sie überzeugt als ihre Stallkollegin sie fragt, was sie davon hält. Einige Menschen sind davon überzeugt, dass Pferderennen - vor allen anderen Pferdesportarten - der Natur der Vollblutpferde am nächsten kommen. „Wenn man das alles im Rahmen lassen würde und ohne den ganzen Stress, könnte das stimmen. Sie sind ja auch zum Rennen gezüchtet. Aber wenn man sich so manche Videos im Internet ansieht, sieht das nicht sehr naturgemäß aus.", antwortet sie bestimmt. Trainer behaupten immer wieder, die Pferde wären so schnell, weil sie gerne laufen würden. Tierschützer behaupten aber, sie würden aus Angst laufen. Nur die Todesangst bringe die Pferde dazu, so extrem schnell zu laufen. Welcher Seite sollte man glauben schenken? Es scheint, als wären sich hierbei beide Reiterinnen einig. „Definitiv den Tierschützern. Wenn die Pferde gerne laufen würden, könnten sie es wahrscheinlich gar nicht abwarten, in die Startboxen zu gehen. Allein, dass sie sich dagegen wehren zeigt ja, dass sie eher aus Angst laufen." ist eine von ihnen sicher.

Aber kann man Pferderennen im allgemeinen als Tierquälerei bezeichnen oder ist das übertrieben? „Ja, ich denke schon. Ich meine den Pferden werden Schmerzen zugefügt. Manche sterben ja sogar bei den Rennen. Also ja, ich würde es Tierquälerei nennen." antwortet die andere. So sehen das leider nicht alle Menschen. „Ich glaube irgendwann wird der Rennsport nicht mehr so beliebt sein, wegen den vielen Quälereien. Die Leute werden nicht ewig wegschauen."sagt sie zum Schluss und verabschiedet sich schnell.

Damit ist das Gespräch beendet, denn sie muss ihr Pferd in die Box bringen um den Weg frei zu machen. Hufgeklapper hallt durch den ganzen Stall. Die letzten Pferde werden rein geholt und in der Stallgasse wird es enger. Kurz darauf sind alle Pferde im Stall. Viele gehen gleich raus auf ihren Mini-Paddock um weiterhin die frische Luft genießen zu können. Plötzlich ist es wieder ganz still. Hier und da hört man ein Schnauben oder die Schritte der Menschen, die sich von ihren Pferden verabschiedet haben und den Stall verlassen. Doch eine Frage bleibt: Kann ein Rennpferd überhaupt jemals ein Gewinner sein?

Elina Frieß, Gymnasium Altenholz, 9a

 
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