von Isgard Kraus
„Alterslohn für Lebensleistung", so bezeichnete Norbert Blüm (CDU), von 1982 bis 1998 Arbeits- und Sozialminister, einst die Rente. Doch immer mehr Menschen betrifft es aktuell und wird es vor allem in der Zukunft betreffen, dass sie im Arbeitsleben zu wenig verdient haben, um davon im Alter auch „entlohnt" zu werden. Das Geld reicht vorne und hinten nicht zum Leben, und das bei Menschen, die teils ein Leben lang hart gearbeitet und in die Rentenkasse eingezahlt haben.
Von daher war es ein Lichtblick für viele Rentner und Rentnerinnen sowie für Geringverdiener, als sich CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag vom 12. März 2018 unter anderem auf die Einführung einer Grundrente geeinigt hatten, die zehn Prozent über dem Grundsicherungsbedarf liegen soll, der jeweils individuell zu berechnen ist. Es wurde beschlossen, dass diejenigen, die mindestens 35 Jahre lang gearbeitet, Kinder erzogen und/oder Angehörige gepflegt haben, in Zukunft besser abgesichert werden.
In einem Beispiel, entnommen dem Artikel „Wer von Heils Grundrente profitieren würde – und wer nicht" von Florian Diekmann, veröffentlicht am 4. Februar 2019 auf Spiegel Online, sieht dies wie folgt aus: Eine 74-jährige Arzthelferin, die insgesamt fünf Jahre in ihrem Beruf in Vollzeit gearbeitet hat, bekommt dafür fünf Renten-Beitragsjahre angerechnet. Weitere fünf erhält sie für ihre zwei Kinder, die sie großgezogen hat, und aus einer Teilzeit-Anstellung über 20 Stunden die Woche erarbeitete sie sich noch mal 31 Renten-Beitragsjahre. So liegt sie mit 41 Beitragsjahren über den geforderten 35. Da die für sie ermittelte Rente von Euro 849,– unterhalb des ihr zustehenden Grundsicherungsbedarf liegt, erhält sie stattdessen monatlich eine Rente in Höhe von Euro 991,– und profitiert somit von der Grundrente.
So weit, so gut. Auf die notwendige Umsetzung warten die betroffenen Personengruppen allerdings bis heute. Obwohl im Koalitionsvertrag vereinbart, können sich die Regierungsparteien nicht auf eine Verwirklichung einigen, da die SPD inzwischen auf die zuvor festgelegte Bedürftigkeitsprüfung verzichten möchte.
Insgesamt scheint Berlin ein schlechtes Bild abzugeben, zumindest bewerten dies laut Infratest dimap 67 Prozent der Befragten der ARD-DeutschlandTrend-Umfrage vom 7. November 2019. Anstatt mit der Grundrente Pluspunkte zu sammeln, ergeht man sich in Taktieren und Abwarten. Aus Angst vor einem Koalitionsbruch und dann vermutlichen Neuwahlen, die den Regierungsparteien wahrscheinlich keine guten Wahlergebnisse versprechen, traut sich Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht, ein Machtwort zu sprechen, CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer wagt es nicht, der Bundeskanzlerin ins nicht vorhandene Wort zu fallen, und die SPD ist noch zu stark mit sich selbst beschäftigt, die Vorstandswahlen lassen grüßen. Die Koalition lähmt sich also selbst und sollte doch lieber zur Tat schreiten.
Verlierer in diesem Spiel sind zahllose Rentner und Rentnerinnen, die nach wie vor mit zu wenig Geld auskommen müssen, zum Teil nicht wissen, wie sie menschenwürdig über den Monat kommen sollen und auf den erhofften Lichtblick der Umsetzung des Vorhabens aus dem Koalitionsvertrag warten. Es wäre nach eineinhalb Jahren wichtig, dass sich die Regierungsparteien an ihre Vereinbarung erinnern und die Grundrente einführen. Hierbei ist es erst einmal unerheblich, ob die Grundrente, so wie sie geplant war, schon wirklich bis ins letzte Detail durchdacht ist und ob alle Ungerechtigkeiten abgestellt sind. Wichtig ist doch, dass der erste Schritt gemacht wird, auf dem in Zukunft weiter aufgebaut werden kann. So wäre wohl ein weiterer Wählerverlust zu verhindern, und daran sollte doch jeder Partei gelegen sein.
Quellen:
https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/grundrente-wer-profitiert-und-wer-nicht-vier-beispiele-a-1251560.html
https://www.spd.de/
https://www.cdu.de/
https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/koalitionsvertrag_2018.pdf?file=1
https://www.zeit.de/wirtschaft/2019-08/rentensystem-grundrente-sozialleistung-grundsicherung
https://www.tagesspiegel.de/politik/beduerftigkeitspruefung-bei-der-grundrente-so-macht-man-frauen-wieder-vom-ehemann-abhaengig/24081548.html
https://www.tagesschau.de/inland/deutschlandtrend-1861.html
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