Krebs - meine persönlichen Eindrücke

Stella L., Klasse 9a, Gymnasium Schloss Plön 20. November 2020 9 Kommentar(e)

Ich war sechs Jahre alt, als meine Mutter krank wurde. Nach ein paar Untersuchungen wurde festgestellt, dass sie Krebs hat. Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern, da es schon über acht Jahre her ist, aber den Schmerz und Schock, den spüre ich heute noch. Krebs ist, um es ehrlich auszudrücken, grauenvoll für alle. Die Angehörigen sehen, wie die Person leidet. Wenn ich mir jetzt alte Fotos und Videos meiner Mutter ansehe, merke ich erst, wie viel Mühe sie sich gegeben hat, damit ich nicht merke, wie stark ihre Schmerzen waren, um mich nicht noch mehr zu beunruhigen. Ich habe auch noch den Moment vor Augen, als sie zum Friseur ging, um ihr schönes langes Haar abzuschneiden, weil sie wusste, dass sie durch die Chemotherapie bald all ihre Haare verlieren würde. Ab diesem Zeitpunkt wurde es immer schwieriger, sie kam in mehrere Krankenhäuser und brauchte immer mehr medizinische Versorgung. Ich sah sie immer weniger, aber mein Leben lief fast normal weiter. Ich kann mich auch an nichts mehr wirklich erinnern, was wahrscheinlich das schlimmste an der ganzen Sache ist. Doch von einem Tag erinnere ich noch jedes kleinste Detail.
Vor Weihnachten 2013 wurde uns gesagt, dass meine Mutter wieder gesund sei. Allerdings stellte sich diese Annahme als falsch heraus und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie sterben würde. Am 23.01.2014 packte mein Vater mich und meinen Bruder ein und wir fuhren nach Kiel ins Krankenhaus, um sie zu besuchen. Ich freute mich sehr, sie wiedersehen zu können, obwohl ich wusste, dass ihre Augen geschlossen waren und ich nicht mit ihr reden könnte. Ich weiß noch, dass ich mir jede Maschine anschaute und fragte, wofür sie gut sei, damit ich mir die unzähligen Kabel und Schläuche erklären konnte. Als ich aber merkte, wie es mir zu viel wurde und langsam anfing, zu weinen, bat ich darum, zu fahren. Ich küsste sie auf ihre Handrückseite, weil überall sonst Schläuche lagen und dann fuhren wir nach Hause. An diesem Abend sagte mein Vater mir, dass wir uns am nächsten Tag nicht sehen würden, da er die ganze Zeit im Krankenhaus sei. Doch als ich am 24.01.2014 nach der Schule mit meinem Bruder und meiner Tante im Wohnzimmer Eisenbahn spielte, schaute ich auf die Uhr, es war 15:00 Uhr und plötzlich stand mein Vater ganz still in der Küche. Mit nur sieben Jahren wusste ich allerdings genau, was los war und brach in Tränen aus.
Meine Zeit mit einem der wichtigsten Menschen in meinem Leben wurde leider sehr früh beendet und ich weiß, dass ich damit nicht alleine bin. Immer, wenn ich Aktionen für Krebsforschungen sehe und davon höre, oder wenn ich in einem stillen Moment darüber nachdenke, dann denke ich auch daran, dass viele andere Kinder dieses Schicksal trifft oder getroffen hat. In diesem Moment will ich ihnen helfen und an ihrer Seite sein, obwohl ich sie nicht kenne. Aber ich kann ihre Gefühle und Ängste nachvollziehen und möchte daher einen Appell an euch formulieren: Es weiß jeder, dass das Leben irgendwann vorbei sein wird und obwohl viele dies wissen, verdrängen sie den Gedanken, dass es auch einfach in der nächsten Sekunde zu Ende sein kann. Darum bitte ich jeden Menschen dieser Erde, den Moment mit den Liebsten zu genießen, jede Streitigkeit irgendwann und irgendwie zu beheben, denn diese Themen gehören auch zum Leben, aber das Wichtigste ist, sich im Klaren darüber zu sein und auch immer wieder daran zu erinnern, wie wichtig und schön es ist, seine Zeit mit Menschen zu verbringen, die man braucht und liebt.
Obwohl ich erst 14 Jahre alt bin, sind genau diese Sätze das,was mich morgens ermutigt, aufzustehen und das Wichtigste, was ich je gelernt habe.

 
9 Kommentar(e)
  1. Promedia Maassen
    24. November 2020

    Liebe Stella! Ganz lieben Dank für deinen emotionalen Beitrag. Es hat sicherlich viel Mut und auch Kraft erfordert uns deine persönlichen Erfahrungen zu dem traurigen Schicksal deiner Mutter zu schildern. Es ist toll, dass du dennoch weiterhin positiv aufs Leben schaust und auch an die LeserInnen appelierst die Zeit mehr bewusst zu genießen.
  2. Mia
    24. November 2020

    Liebe Stella, Ich habe deinen Text ja bereits schon am Freitag gelesen. Ich finde es sehr mutig und auch selbstbewusst, davon so wie du zu sprechen. Deine schwierige Zeit ist oder war mir sehr bewusst, obwohl ich natürlich nicht genau wissen kann wie du dich fühlst. Trotzdem bin ich immer für dich da und niemand hier hat einen so schönen, emotionalen und liebenswürdigen Text geschrieben wie du. Deine Mia❤
  3. Andrea Sandau
    24. November 2020

    Mega emotionaler und schöner Bericht Stella❤️
  4. Inka Feldkamp
    25. November 2020

    Liebe Stella, dein Text hat mich sehr berührt! Du findest ergreifende und doch klare Worte für diese schwierige Zeit, an deren Ende du Abschied nehmen musstest von deiner tollen Mama. Ich bin sicher, dein Text hilft anderen Kindern und Jugendlichen, die Ähnliches durchlitten haben. ❤️
  5. Anna Maria
    25. November 2020

    Liebe Stella, dein Text ist wirklich wunderschön geworden. Man sich gut in dich hineinfühlen. Deine Geschichte geht einem wirklich nahe. Dennoch hast du eine so schöne Sicht auf das Leben gewonnen, was ich einfach nur bewundernswert finde. Mach weiter so!
  6. Franzi
    25. November 2020

    Ich bin echt beeindruckt, dass du es geschafft hast, dich so zu öffnen und deine Gefühle auszudrücken... Deine Erzählung ging mir echt ans Herz und mir kamen sogar Tränen ins Auge... Du bist so liebherzig und ich finde es echt cool von dir, dass du deine Erfahrungen hier teilst, womöglich mit Leuten, die leider dein Schicksal teilen. ❤
  7. Ida
    25. November 2020

    Hallo liebe Stella, dein Artikel ist wunderbar geworden und ich wünsche dir nur das Beste! Ida
  8. Melissa
    25. November 2020

    Liebe Stella, du kannst echt stolz auf dich sein, dass du mit so einer optimistischen Sichtweise durchs Leben gehst. Ich habe so etwas zwar noch nie durchgemacht und glaube, dass ich mir garnicht vorstellen kann, wie schlimm es für dich sein musste. Außerdem danke ich dir sehr dafür, dass du mir damals sehr geholfen hast und mir immer zur Seite standest. Bleib so wie du bist, deine Melissa
  9. Jesco
    28. November 2020

    Liebe Stella, es ist sicherlich eine schreckliche Erfahrung gewesen, welche Du in so jungen Jahren schon machen musstest! Man kann aus Deinem wunderbaren Text allerdings erkennen, welche großartige innere Haltung und Sichtweise auf das Leben Du entwickelt hast. Viele Menschen entwickeln erst viel zu spät solche Erkenntnisse und leben an Ihrem Leben vorbei. Das Leben fängt plötzlich an und hört plötzlich auf und alles was dazwischen liegt können wir sinnvoll gestallten! Deine Haltung macht extrem Sinn! Sei umarmt, Jesco

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