Ich war sechs Jahre alt, als meine Mutter krank wurde. Nach ein paar Untersuchungen wurde festgestellt, dass sie Krebs hat. Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern, da es schon über acht Jahre her ist, aber den Schmerz und Schock, den spüre ich heute noch. Krebs ist, um es ehrlich auszudrücken, grauenvoll für alle. Die Angehörigen sehen, wie die Person leidet. Wenn ich mir jetzt alte Fotos und Videos meiner Mutter ansehe, merke ich erst, wie viel Mühe sie sich gegeben hat, damit ich nicht merke, wie stark ihre Schmerzen waren, um mich nicht noch mehr zu beunruhigen. Ich habe auch noch den Moment vor Augen, als sie zum Friseur ging, um ihr schönes langes Haar abzuschneiden, weil sie wusste, dass sie durch die Chemotherapie bald all ihre Haare verlieren würde. Ab diesem Zeitpunkt wurde es immer schwieriger, sie kam in mehrere Krankenhäuser und brauchte immer mehr medizinische Versorgung. Ich sah sie immer weniger, aber mein Leben lief fast normal weiter. Ich kann mich auch an nichts mehr wirklich erinnern, was wahrscheinlich das schlimmste an der ganzen Sache ist. Doch von einem Tag erinnere ich noch jedes kleinste Detail.
Vor Weihnachten 2013 wurde uns gesagt, dass meine Mutter wieder gesund sei. Allerdings stellte sich diese Annahme als falsch heraus und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie sterben würde. Am 23.01.2014 packte mein Vater mich und meinen Bruder ein und wir fuhren nach Kiel ins Krankenhaus, um sie zu besuchen. Ich freute mich sehr, sie wiedersehen zu können, obwohl ich wusste, dass ihre Augen geschlossen waren und ich nicht mit ihr reden könnte. Ich weiß noch, dass ich mir jede Maschine anschaute und fragte, wofür sie gut sei, damit ich mir die unzähligen Kabel und Schläuche erklären konnte. Als ich aber merkte, wie es mir zu viel wurde und langsam anfing, zu weinen, bat ich darum, zu fahren. Ich küsste sie auf ihre Handrückseite, weil überall sonst Schläuche lagen und dann fuhren wir nach Hause. An diesem Abend sagte mein Vater mir, dass wir uns am nächsten Tag nicht sehen würden, da er die ganze Zeit im Krankenhaus sei. Doch als ich am 24.01.2014 nach der Schule mit meinem Bruder und meiner Tante im Wohnzimmer Eisenbahn spielte, schaute ich auf die Uhr, es war 15:00 Uhr und plötzlich stand mein Vater ganz still in der Küche. Mit nur sieben Jahren wusste ich allerdings genau, was los war und brach in Tränen aus.
Meine Zeit mit einem der wichtigsten Menschen in meinem Leben wurde leider sehr früh beendet und ich weiß, dass ich damit nicht alleine bin. Immer, wenn ich Aktionen für Krebsforschungen sehe und davon höre, oder wenn ich in einem stillen Moment darüber nachdenke, dann denke ich auch daran, dass viele andere Kinder dieses Schicksal trifft oder getroffen hat. In diesem Moment will ich ihnen helfen und an ihrer Seite sein, obwohl ich sie nicht kenne. Aber ich kann ihre Gefühle und Ängste nachvollziehen und möchte daher einen Appell an euch formulieren: Es weiß jeder, dass das Leben irgendwann vorbei sein wird und obwohl viele dies wissen, verdrängen sie den Gedanken, dass es auch einfach in der nächsten Sekunde zu Ende sein kann. Darum bitte ich jeden Menschen dieser Erde, den Moment mit den Liebsten zu genießen, jede Streitigkeit irgendwann und irgendwie zu beheben, denn diese Themen gehören auch zum Leben, aber das Wichtigste ist, sich im Klaren darüber zu sein und auch immer wieder daran zu erinnern, wie wichtig und schön es ist, seine Zeit mit Menschen zu verbringen, die man braucht und liebt.
Obwohl ich erst 14 Jahre alt bin, sind genau diese Sätze das,was mich morgens ermutigt, aufzustehen und das Wichtigste, was ich je gelernt habe.
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