Leben retten zwischen Alltag und Beruf
Wiebke Behling-Pfeffer von der Freiwilligen Feuerwehr Osdorf über das freiwillige Helfen im Alltag
„Heute ist hier nichts los", sagt Wiebke Behling-Pfeffer, als sie die Tür zum Feuerwehrgerätehaus in Osdorf aufschließt. Doch das könnte sich jederzeit ändern – denn die Freiwilligen, die sich hier ehrenamtlich engagieren, stehen immer auf Abruf. Die Deutschen Feuerwehren leben von diesem Ehrenamt – laut dem Deutschen Feuerwehr Verband sind 96% aller Feuerwehren Freiwillige, die von ca. 1 Millionen Aktiven belebt werden.
Im Gerätehaus ist es kalt und dunkel. Kaum sind wir drinnen, geht das Licht an. Im Eingangsbereich stehen Spinde mit der Schutzausrüstung. Es sind überraschend viele im Verhältnis zu den rund 2500 Einwohnern Osdorfs. „Die Feuerwehr Osdorf hat 42 Aktive Kameraden, allerdings kommen natürlich nicht immer alle zu den Übungsdiensten oder zu den Einsätzen", erklärt die 26-Jährige. Sie selber wurde mitgeschnackt, als sie in den Ort zog. „Es macht mir Spaß, anderen zu helfen und ich setze mich gerne für das Gemeinwohl ein" erklärt Behling-Pfeffer ihre Mitgliedschaft. Aber eine Frau bei der Feuerwehr? Das ist in Osdorf längst nichts Ungewöhnliches mehr: „Also wir haben ca. 10 aktive Feuerwehrfrauen und wir sind tatsächlich auch alle ziemlich gut ausgebildet", berichtet sie, „da stehen wir den Männern in nichts nach" (lacht). Bundesweit ist das anders – zwar stieg die Frauenquote innerhalb der letzten zwanzig Jahre um gut 5%, dennoch sind heute nur etwa 10% aller deutschen Feuerwehrmitglieder Frauen.
Im Eingangsbereich hängt ein großer Bildschirm. Zu sehen ist eine Karte vom Deutschen Wetterdienst und eine Tabelle mit einer Übersicht über alle Dienste und Veranstaltungen, dahinter grüne, gelbe und rote Zahlen. „Wir haben eine Einsatz-App, und wenn wir einen Einsatz bekommen, dann kommt der auf unseren mobilen Melder und auch aufs Handy. Man kann dann in der App grün, gelb oder rot drücken. Grün heißt „ich komme", gelb bedeutet „ich komme, brauche aber länger" und rot meint „ich komme nicht", erklärt die im Außendienst eines Spirituosenhändlers tätige Groß- und Einzelhandelskauffrau. Dass mal jemand nicht kann oder länger braucht, ist keineswegs außergewöhnlich. Viele haben längere Anfahrtswege von der Arbeit aus oder sind zum Beispiel in den Ferien im Urlaub. Auch Behling-Pfeffer sieht die Unvereinbarkeit von Beruf und Ehrenamt teilweise als Hürde an. Doch das muss sie gar nicht sein. Laut Gesetzgeber ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, bei Einsätzen oder Weiterbildung die Fehlzeit trotzdem zu bezahlen. Selbständige oder Arbeitslose bekommen eine Pauschale vom Staat. Behling-Pfeffer selbst hat das Glück, oft im Homeoffice arbeiten zu können. „Ich persönlich arbeite die verpasste Zeit nach, weil es bürokratisch einfacher ist (lacht)", äußert sie. Bei unserem Rundgang durch das Gerätehaus sind wir nun in der Fahrzeughalle angekommen. Da es draußen schon dunkel ist, erleuchtet blaues Licht die mit drei Autos besetzte Halle. Dabei sticht eins besonders ins Auge – das große „LF 10", der ganze Stolz der Feuerwehr. Seit nunmehr drei Jahren haust es nun schon hier – und hat so manche Einsätze mitgemacht. „Wir haben ca. 30 Einsätze im Jahr", berichtet Behling-Pfeffer. Bei diesen, so wie bei allen Diensten und auf dem Hin- und Rückweg sind die Kameradinnen und Kameraden durch die Unfallkasse Nord versichert, jegliche Unfälle gelten als Arbeitsunfall. „Wir schützen uns auch durch jegliche Maßnahmen selbst und werden regelmäßig zum Selbstschutz angehalten und fortgebildet", sagt sie.
Auf die Frage, was wohl für viele Leute die größte Hemmschwelle sei, nicht zur Freiwilligen Feuerwehr zu gehen, antwortet sie: „Die häufigste Rückmeldung, die ich höre, ist, dass Feuerwehr so zeitintensiv sei". Doch auf diese Ausrede kann sie gekonnt kontern – „im Grunde genommen ist es doch nichts anderes, als wenn man alle zwei Wochen für 1,5 Stunden zum Tennis geht. Und bei den 30 Einsätzen ist man vielleicht auch nur bei 15 Einsätzen da". Man müsse sich vor allem auch mal vor Augen führen, dass es ohne die Freiwillige Feuerwehr hier niemanden gäbe, wenn das eigene Haus brennt, führt sie fort. „Wir finden für jeden immer eine passende Aufgabe, zum Beispiel die Straße abzusperren oder so, wenn sich vielleicht jemand nicht zutraut, ins Feuer zu gehen.", motiviert die stellvertretende Gruppenführerin.
Wo man sich bei Interesse melden könne? „Am einfachsten ist es, wenn man einfach zum Dienstabend kommt und sich das ein paar Mal anguckt", erläutert sie. Anschließend durchlaufe man an mehreren Abenden den sogenannten Truppmannlehrgang, die Grundausbildung. Danach gibt es viele weitere Lehrgänge, zum Beispiel den zum Atemschutzträger oder den Funklehrgang.
Beim Hinausgehen und Abschließen des Gerätehauses ist es weiterhin ruhig. Doch das kann sich bekanntlich jederzeit ändern – und dann sind die Ehrenamtlichen schnell zur Stelle. Eben wahre Retter in der Not!
2 Kommentar(e)
ganz lieben Dank für deinen sehr gelungenen Beitrag über die Freiwillige Feuerwehr. Cooles Thema, das du gewählt hast, vor allem weil du auch viele verschiedene und interessante Punkte aufgreifst und dein Beitrag einerseits dankbar für die Freiwilligen macht oder andererseits sogar auch zum Nachdenken über ein eigenes Engagement anregt. Zudem ist es durch den gekonnten Wechsel von beschreibenden Teilen und informativen Teilen, die mit schönen Zitaten angereichert sind, ein sehr kurzweilig Lesen. Super ist auch, dass du auch an ein Foto gedacht hast und man so auch ein Gesicht zu der interviewten Person bekommt.
Liebe Grüße
Das MiSch-Projektteam
Carina und Kerstin