Werden Eier bald der neue Kaviar?

Philipp Pritsche & Fridtjof Abraham, 9c Gymnasium AHZ 14. November 2022
Stand des Hühnerhofes Postkamp © Philipp Pritsche, Fridtjof Abraham

Preisexplosion im Lebensmittelhandel

Wir stehen auf dem Marktplatz im Zentrum von Altenholz Stift, einer kleinen Gemeinde von Schleswig- Holstein. Es ist Markttag. Irgendwo wird schon laut verhandelt, es riecht nach deftiger Wurst, geräuchertem Fisch und vielen weiteren Lebensmitteln. Nur wenige Leute sind da, die zu den frischen Bioprodukten greifen. Schon auf den ersten Blick erkennt man, dass die meisten Kunden ältere Herrschaften und wohl Stammkunden sind.

Hartmut Stegemann vom Hühnerhof Postkamp rückt gerade die umfangreiche Auslage seines Marktstandes zurecht. Er bietet hauptsächlich alles rund ums Huhn an: Eier in unterschiedlichen Größen, Geflügelfrikadellen und Frischfleisch. Die Familie Stegemann bewirtschaftet bereits in der dritten Generation ihren Hühnerhof am Rand von Altenholz. Doch wird das auch in Zukunft so sein?

Am Postkamp Marktstand ist nun alles vorbereitet und ersten Kunden treffen ein. Wir lauschen den Gesprächen. Ja, es sind fast ausschließlich treue Stammkunden. Wir stellen uns an und bitten Hartmut Stegemann um ein Interview. Denn wir möchten wissen, ob die rasante Inflation hier am Marktstand auch angekommen ist.

Aber was bedeutet Inflation eigentlich? Inflation herrscht, wenn Waren und Dienstleistungen teurer werden und Kunden sich weniger für ihr Geld kaufen können. Der Begriff Waren schließt auch Lebensmittel ein.

Anfänglich reagiert Hartmut Stegemann auf unsere Fragen zurückhaltend, das Thema scheint ihn jedoch sehr zu beschäftigen. Seine regionalen Lebensmittel verkauft er im eigenen Hofladen, in ausgewählten Supermärkten und Bäckereifilialen oder hier auf dem Wochenmarkt. Auch seine Produkte seien in den letzten Monaten teurer geworden, erzählt er uns. Das teurere Futtermittel für die Hühner sei eine Ursache hierfür. Er berichtet, dass er vor gar nicht so langer Zeit noch mit 2,4 Cent Futtergebühr pro Hühnerei kalkulieren konnte. Aktuell liegt er schon bei 4 Cent oder sogar auch schon darüber. Ob auch die Verpackungen teuer geworden seien, wollen wir wissen. Herr Stegemann nickt und antwortet: „Die Produktionskosten für Kartonagen sind ebenso stark gestiegen. Der Preis einer 10er Eierverpackung ist von rund 13 Cent auf 24 Cent angewachsen.“

Seine Gedanken sprudeln nun aus ihm hinaus. Er hat noch viel mehr zu berichten. Sein Hühnerhof Postkamp kooperiert mit anderen Höfen, zum Beispiel mit einem Putenhof. Dieser muss sich auf das Weihnachtsgeschäft konzentrieren und hat dieses Jahr finanzielle Probleme. „Die Tiere müssen ja das ganze Jahr gefüttert werden und die Kosten hierfür sind enorm gestiegen,“ erklärt uns der Landwirt und führt weiter aus, „erst vor Weihnachten können wieder Geschäfte gemacht und Geld verdient werden. Das muss man erstmal alles vorstrecken können.“ Der Hühnerhof Postkamp und auch sein Kooperationspartner, der Putenhof, bekommen keinerlei finanzielle Unterstützung. Wir sind beeindruckt und gleichzeitig geschockt. Die Produktion von landwirtschaftlichen Erzeugnissen scheint ein hartes Geschäft zu sein. Gleichzeitig realisieren wir, dass es nicht nur für die Lebensmittelkäufer schwerer wird, sich viele Waren noch zu leisten, sondern dass auch die Bauern von der Inflation betroffen sind.

Wir werden nachdenklich. Warum kommt es zu dieser hohen Inflation? Hier fällt uns sofort der Krieg in der Ukraine als eine Hauptursache ein. Die Ukraine ist einer der größten Getreideproduzenten für den deutschen Markt. Es wird zum Beispiel in Brot, Nudeln, Pizza und Tierfutter verarbeitet. Als Russland am 24.02.2022 den Krieg begann, war die Ukraine plötzlich nicht mehr in der Lage, das gelagerte Getreide zu exportieren. Der Getreidepreis Stand März 2022 stieg schlagartig im Vergleich zum Vorjahresmonat um rund 37.3%. Über den Sommer war es zudem in weiten Teilen des Landes unmöglich, Landwirtschaft zu betreiben. Felder sind zerstört worden, es herrscht Mangel an Dünger und Diesel oder die Mitarbeiter der Betriebe sind nicht mehr da.

Wir überlegen weiter. Auch die Corona-Pandemie hat wohl zur aktuellen Inflation beigetragen. In den Jahren 2020 und 2021 gab es mehrere Lockdowns, in China ist dies teils heute noch der Fall. Geschäftsschließungen, gesperrte Grenzübergänge, die Isolation ganzer Kontinente ließen Lücken in den Lieferketten entstehen. Zwischenzeitlich blockierte sogar ein Containerschiff den Suez Kanal, was den Wasserhandelsweg zwischen Europa und Asien zusätzlich verstopfte. Auch verstärkte Hamsterkäufe während der Pandemie ließen die Nachfrage und die Preise steigen.

Als ein dritter Grund der Inflation schießt uns der rasende Anstieg der Energiepreise in den Kopf. Deutschland stellt sich gegen Russlands Angriffskrieg in der Ukraine und verhängt seither mit der europäischen Gemeinschaft acht Sanktionspakete gegen die russische Föderation. Russland antwortete, indem es die Gasversorgung für Deutschland und weitere Länder Europas unterbrochen hat. Wir in Deutschland müssen uns nun nach kurzfristigen Alternativen zum günstigen russischen Gas umsehen. Befürchtete Lieferengpässe und höhere Einkaufspreise lassen die Energiepreise in Deutschland stark steigen. Die Produktion nahezu aller Waren, insbesondere auch von Lebensmitteln, ist dadurch teurer geworden. Hersteller sind gezwungen ,die Verkaufspreise weiter zu erhöhen.

Diese drei Ursachen betreffen natürlich auch das Wirtschaften auf dem Hühnerhof Postkamp und heizen die Inflation seiner Produkte an. Wir wenden uns wieder Herrn Stegemann zu und wollen abschließend wissen, ob er ein zeitliches Ende der Inflation sieht. „Wenn der Preisdeckel erstmal oben ist, wird es auch schwer, ihn wieder runterzubekommen,“ antwortet er ganz nüchtern. Und bevor er sich der nächsten Kundschaft zuwendet, spürt man in seinen Abschiedsworten die Hingabe für sein Familiengeschäft: „Wir wünschen uns von unseren Kunden, dass sie sich auch weiterhin oder einmal mehr für Bioprodukte in den Regalen entscheiden. Auch wenn das Geld knapp wird. Nur so können wir es möglichst unfallfrei durch diese Krise schaffen.“

 

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